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Zweimal nachgefragt

Zwei ABB-Frauen zweier Generationen, an unterschiedlichen Punkten ihrer Karriere angelangt. Was sie verbindet: Das Arbeiten in einer Männerdomäne. Abwechselnd wollten die Vorsitzende der Geschäftsleitung Nora Teuwsen und die Lernende Edith Meier voneinander wissen: «Was hast Du erlebt? Was brauchst Du? Und welche Vorschläge bringst Du zum Thema Frauenförderung mit ein?»

Die Lernende fragt die Chefin

Nora, musstest du dir als Frau im Berufsleben schon mal blöde Sprüche anhören?

Nora Teuwsen: Oh ja! Meist ging es ums Aussehen. Irritierend, denn natürlich will ich mit dem Inhalt überzeugen. Als ich jünger war, verstanden die Leute oft nicht, dass ich die Führungsposition inne habe. Sie hielten mich für die Praktikantin. Einmal brachte man mir statt eines Kaffees sogar ein Glas Milch ins Meeting. Jahre später hörte ich den Spruch: ‹Mütter sollten nicht arbeiten›. Und ich wurde als ‹Eiserne Lady› betitelt. Ein Mann wäre wohl einfach als durchsetzungsfähig bezeichnet worden. Früher tolerierte man solches Verhalten noch, heute geht das immer weniger. Wir befinden uns in einer kulturellen Transformation. 

Ist die bei ABB ein Thema?

Nora Teuwsen: Hier ist mir so etwas noch nie passiert. Es hilft, dass wir ein internationales Unternehmen sind. Im Ausland ist man beim Thema Gleichstellung oft weiter als in der Schweiz. So ist es in der ABB-Kultur selbstverständlich, dass Frauen auch Vollzeit arbeiten. Wir sensibilisieren – unter anderem – auch mit Schulungen rund um Gender-Vorurteile.

Gibt es bei ABB eine Frauenquote?

Nora Teuwsen: Wir richten uns nach verbindlichen Zielvorgaben. Der Frauenanteil bei ABB Schweiz entspricht etwa dem Branchendurchschnitt. Er liegt bei 23 Prozent. Bis 2030 möchten  wir 30 Prozent erreichen, was wir in der Geschäftsleitung schon geschafft haben. Ich persönlich finde das zu wenig ambitioniert, wir prüfen das Ziel daher gerade nochmals. 

Woran hapert es eigentlich?

Nora Teuwsen: In der Schweiz sind Frauen in technischen Lehrstellen und technischen Studiengängen stark unterrepräsentiert, das wirkt sich auf die Pipline talentierter Fachkräfte aus und folglich auf den Frauenanteil in den Betrieben. Wir müssen also mehr Mädchen für Technik begeistern. Es ist zu wenig zu warten, bis sie den Weg zu uns finden. Wir sollten ihnen in den Schulen aktiv begegnen. Bei ABB zielen schon viele der Aktivitäten darauf ab, wie etwa der Meitli-Technik-Tag. Die Feinmotorik, das kreative Schaffen, das logische Denken – das alles macht Spass! Ich sehe keinen Grund, warum sich Mädchen nicht dafür interessieren sollten. Wichtig ist dabei auch, Frauen sichtbarer zu machen.

Die Feinmotorik, das kreative Schaffen, das logische Denken – das alles macht Spass! Ich sehe keinen Grund, warum sich Mädchen nicht dafür interessieren sollten.

Nora Teuwsen, Vorsitzende der Geschäftsleitung, ABB Schweiz

Wie das?

Nora Teuwsen: Als Firma mit gutem Beispiel vorangehen. Es hilft, mit weiblichen Vorbildern zu inspirieren. Am Schluss willst du nicht die Einzige sein, die in einer Welt voller Männer arbeitet. Und als Person: reden, reden, reden. Wir können das Thema Diversität und Gleichstellung nicht oft genug anbringen und thematisieren.

Hast du konkrete Beispiele?

Nora Teuwsen: Nicht nur in der KMU-Landschaft sehe ich Handlungsbedarf. Erstes Beispiel: Ich weiss, dass einige Frauen zu ihrer Umkleide durch die ganze Produktion laufen und sich dort anzügliche Sprüche anhören müssen. Einige Firmen haben solche Themen nicht auf dem Radar. Das muss man ansprechen. Zweites Beispiel: Wir luden hundert Unternehmen ein. Erschreckend: Es kam keine einzige Frau. Damit hatte ich nicht gerechnet. Das Problem ist, dass viele gar keine hochqualifizierten Frauen im Unternehmen haben.

Warum ist es so wichtig, dass Frauen in der Branche arbeiten?

Nora Teuwsen: Ich bin überzeugt, dass man mit Diversität bessere Lösungen und mehr Kreativität erreicht. Ausserdem suchen wir Fachkräfte. Die Schweiz investiert viel Geld in die Ausbildung von Frauen. Da macht es volkswirtschaftlich keinen Sinn, dass wir Studienplätze finanzieren, dann aber nicht sicherstellen, dass es für alle Frauen attraktiv ist zu arbeiten. Nur jede neunte beruflich aktive Frau verlässt den Arbeitsmarkt nach der ersten Mutterschaft. Das heisst, dass ganz viele wieder arbeiten wollen, wenn auch oft Teilzeit. Dafür ist ein familienfreundliches Arbeitsumfeld unabdingbar, zum Beispiel durch flexible Elternzeit oder unsere ABB-Kinderkrippen

Eine Frage, die man nur Frauen stellt: Je ein schlechtes Gewissen wegen der Kinder gehabt?

Nora Teuwsen: Es wäre gelogen, wenn ich jetzt sagen würde: Das kenne ich nicht. Aber nach sechs Monaten Mutterschaft sagte mein Mann zur mir: 'Es wird Zeit, dass du saure Gurke wieder arbeiten gehst.' (lacht) Das System, dass ich glücklich zu Hause bleibe, funktioniert für uns nicht. Eine wichtige Erkenntnis. Und: Mein Mann möchte auch nicht daheimbleiben. Wenn mein Sohn dann wieder einmal kommt und sagt, ich solle doch auch mal bügeln, so wie andere Mütter, stehe ich gerne für meine Überzeugung ein. Wir leben unser Modell den Kindern vor – so wie meine Eltern mir damals. 

Die Chefin fragt die Lernende

Edith, du kamst am ersten Tag der Ausbildung in deine Klasse – überall nur Buben?

Edith Meier: Zu Beginn bei der libs war ich tatsächlich die einzige Frau in meinem Lehrjahr! Aber das machte mir nichts aus. Es war okay. 

Was können wir tun, um mehr Frauen wie dich in die MEM-Branche zu holen?

Edith Meier: Man muss den Mädchen und Frauen zeigen, dass sie gewollt sind und, dass man ihnen etwas zutraut. Viele junge Frauen sind schüchtern und wagen vielleicht nicht, einen anderen Weg als ihre Kolleginnen einzuschlagen. Diese Mädchen muss man gezielt ansprechen, sie pushen, ihnen Vorbilder geben. Wenn in den USA die Scheinwerfer angehen, dann rennen alle hin. Schon in der Schule wird das Debattieren geübt und auch, sich zu exponieren. In der Schweiz rennen alle weg. Hier ist man zurückhaltend und bescheiden, die Frauen noch mehr als die Männer. Hinzustehen ist aber Übungssache.

Wann bist du denn das erste Mal mit Technik in Berührung gekommen?

Edith Meier: In der Schule kaum, ausser vielleicht in Physik. Das ist schade. Auch die Berufswahl wurde den Schülerinnen und Schülern mehrheitlich selbst überlassen. Verschiedene Berufe kennenzulernen wurde nicht sehr gefördert.

Man muss den Mädchen und Frauen zeigen, dass man ihnen etwas zutraut und sie in der Branche auch gewollt sind.

Edith Meier, Lernende Automatikerin EFZ, libs und ABB Schweiz

Und beim Zukunftstag?

Edith Meier: Eigentlich eine gute Sache. Aber es geht ja darum, dass man mit jemandem mitgeht, den man kennt. Dabei gibt es doch auch Familien, in denen niemand in der Technik arbeitet. Mein Vater ist Lehrer, meine Mutter Musikerin. Ich hätte am Zukunftstag gerne etwas völlig anderes kennengelernt. Ausserdem ist mir aufgefallen, dass viele Frauen gar nicht wissen, was ihr Vater genau macht, wenn er in technisch arbeitet. Woran liegt das? Vielleicht werden Töchter weniger mitgenommen als Söhne. Umso mehr sollte man das Konzept öffnen und Lust machen auf verschiedene Berufe. Vielleicht wären auch coole Summercamps bei ABB eine Idee, in denen man die vielen Berufsfelder kennenlernen kann.

Toll wäre das! Findest du, dass wir als ABB mehr tun sollten?

Edith Meier: Ja, ABB müsste an die Schulen herantreten. Anlässe wie den Meitli-Technik-Tag finde ich gut, ich habe dort auch schon mitorganisiert. Aber man muss sich selber anmelden und hingehen. Zu viele Hürden! Wenn sich die Unternehmen zu den Schülerinnen begeben, ist die Wahrscheinlichkeit viel grösser, dass diese sich von etwas komplett Neuem inspirieren lassen.

Was müssen wir unseren Mitarbeiterinnen dann als Arbeitgeberin bieten?

Edith Meier: Wenn ich erfahren würde, dass Männer mehr verdienen als Frauen – da wäre mein Vertrauen gleich weg. Und: In erster Linie möchte ich mich wohlfühlen. Es braucht eine Atmosphäre, in der ich alles sagen darf. Vielen fällt das leichter, wenn sie nicht die Exotin sind. Daher braucht es gemischte Teams. Es bringt aber wohl nichts, nur eine Frau im Meeting zu haben.

Das stimmt! Es braucht mehrere, damit sich die Dynamik ändert und sich die Diversität auch zeigt. Meine Erfahrung: Unterschiedliche Menschen bloss zusammenzubringen reicht nicht. Sie sollten bezüglich ihrer Vorurteile sensibilisiert werden. Das gilt übrigens nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen.  

Edith Meier: Auch wir müssen also erkennen: Für Männer ist es nicht einfach. Jetzt strömen motivierte weibliche Fachkräfte ins Berufsfeld, die etwas erreichen wollen. Viele müssen immer noch mehr leisten als Männer und handeln dementsprechend taff. Eine ungewohnte  Konkurrenzsituation. Wie geht man da miteinander um? Das heisst: Gleichstellung muss gemeinsam angegangen werden und ist kein isoliertes Frauenthema.

Schön, hast du deinen Platz bei uns gefunden. Was fasziniert dich an deiner Arbeit?

Edith Meier: Mir gefällt, dass ich das Handwerkliche mit dem logischen Denken verbinden kann. Ich darf verdrahten, Geräte installieren, aber ich muss auch programmieren können. Diese Vielseitigkeit liebe ich. Und: Ich finde es wichtig, etwas Sinnvolles zu tun. Heute arbeite in einem Unternehmen, das sich als Teil der Lösung für viele Probleme unserer Zeit sieht. Das macht mich stolz – gerade vor meinen Freundinnen. 

Frauen bei ABB Schweiz

ABB engagiert sich für Geschlechtervielfalt in der MEM-Industrie. Ein familienfreundliches Umfeld hat oberste Priorität. Da es am Schluss alle braucht, um etwas zu ändern, bezieht ABB auch alle mit ein – nicht nur die Frauen.

  • Frühe Förderung: Zukunftstag, Meitli-Technik-Tage, Imagineering, Magic Cube
  • 80% Homeoffice / Remote work policy: Mitarbeitende dürfen bis zu 80% von überall aus arbeiten. Wenn das Pendeln wegfällt und man zum z’Mittag daheim sein kann, entkrampft das den Alltag.
  • Teilzeitmöglichkeit in allen Jobrollen:  Bei ABB selbstverständlich: Teilzeitmodelle für flexibleres Arbeiten.
  • Genderneutrale Elternzeit und mehr: Junge Eltern dürfen sich aussuchen, wer Zuhause bleibt. Auch im Angebot: Vier Wochen Vaterschaftsurlaub, verlängerter Kurz- und Langzeitbetreuungsurlaub, 15 ABB-Kinderkrippen plus drei Kinderhorte, Stillräume und ein Coaching-Angebot für Eltern.
  • Gender-Schulungen: Fakt ist: Vorurteile und Stereotype sind ein Problem. Schulungen für Führungskräfte und Recruiting-Mitarbeitende sensibilisieren.
  • Transparentes Lohnsystem: Die Entlöhnung erfolgt transparent – und unabhängig von Alter, Geschlecht oder Nationalität.
  • Interne Netzwerke: Dialog, Austausch und Unterstützung? Findet Frau zum Beispiel im Female-Mentoring-Programm oder ABB Switzerland – Women.
  • Weiteres Engagement / Events: Gender Equality Week, Pride Month, Schweizerischer Verein der Ingenieurinnen, Netzwerk «Femtec», «Advance – Women in Swiss Business», International Women’s Day, St. Galler Diversity & Inclusion Week, #WeTechTogether Conference, WOMEN BACK TO BUSINESS

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Letzte Aktualisierung: 13.05.2023