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Geht KI bald mit in die Schule?

Professor Grewe ist Experte für KI. Er träumt von einem virtuellen Assistenten, dem er Aufgaben geben kann, ohne ihm sagen zu müssen, wie er sie lösen soll. Ob das realistisch ist und wie seine Vision für die KI der Zukunft aussieht, verrät er im Interview.

Das Interview führte: Gabriela Schreiber, Swissmem

Professor Grewe, was ist ihr Forschungsziel?

Ich möchte herausfinden, wie natürliche Intelligenz funktioniert. Hier gibt es wichtige Unterschiede zur künstlichen Intelligenz. Biologisch intelligentes Verhalten bezieht sich auf Ziele. Wir wollen etwas erreichen und wissen, wie wir uns in Situationen verhalten müssen. Das möchte ich in Algorithmen abbilden können. Ich träume von einem virtuellen Assistenten, dem ich Aufgaben geben kann, ohne ihm sagen zu müssen, wie er sie lösen soll. Er soll selber verstehen, wie er seine Ziele erreichen kann.

Wie machen Sie das?

Einerseits versuchen wir mittels Experimenten das Gehirn von Mäusen zu verstehen. Die Maus muss etwas tun, wenn das Licht angeht. Wir schauen, welche Zellen dabei aktiviert werden. Den Lernprozess möchten wir dann auf artifizielle Systeme übertragen. Der zweite Teil meiner Gruppe beschäftigt sich mit biologisch plausiblen KI-Netzwerken. Wir entwickeln Methoden, die vom Gehirn inspiriert sind, oder passen KI-Netzwerke so an, dass sie biologisch erklärbar werden.

Welche Herausforderungen gibt es?

Von ChatGPT wissen wir, dass es halluziniert. Das Sprachmodell hat gelernt, nach statistischer Wahrscheinlichkeit Wörter aneinanderzureihen. Es ist aber nicht in der Lage, einen Input in ein semantisches Konzept umzuwandeln und dann seinen Handlungsspielraum zu verstehen. KI-Netzwerke basieren auf mathematischen und statistischen Prinzipien, können Muster erkennen, aber es fehlt ihnen das Verständnis für Inhalt oder Bedeutung.

Gibt es weitere Knackpunkte?

Aktuell werden diese KI-Netzwerke mit riesigen Datenmengen trainiert. Das ist aufwändig und kostenintensiv. Es geht darum, Algorithmen zu entwickeln, die effektiver lernen. Zum Beispiel mit einem «Curriculum-Learning», wie es bei Kindern stattfindet. Diese lernen zunächst einfache Dinge und bauen dann darauf auf. Kinder müssen nicht erst das gesamte Verhaltensrepertoire durchspielen, um es anwenden zu können. Wenn man hingegen ein KI-Netzwerk mit neuen Daten trainieren will, geht das nicht über ein Update. Es braucht einen Reset, man beginnt also beim Trainieren wieder von vorne.

Worin ist KI dennoch schon unschlagbar?

Beim Umfang an Wissen durch die effiziente Bewältigung grosser Datenmengen. KI ist auch sehr gut darin, standardisierte Aufgaben zu erfüllen. Aber sie macht Fehler, wenn es darum geht, Zusammenhänge zu erkennen.

Den grössten Impact sehe ich in Assistenzsystemen, die uns dabei unterstützen, effizienter und schneller zu arbeiten.

Benjamin Grewe, Professor für Neuroinformatik und Neuronale Systeme an der ETH Zürich

Wie arbeiten wir künftig mit KI zusammen?

Den grössten Impact sehe ich in Assistenzsystemen, die uns dabei unterstützen, effizienter und schneller zu arbeiten. Sie können rund um die Uhr Daten und Dokumente verarbeiten, zusammenfassen und dann unsere Fragen dazu beantworten. Weiteres Potenzial gibt es bei sogenannten Action-Transformern. Diese erhalten Befehle und führen Handlungen aus, etwa am Computer: Programme öffnen, E-Mails beantworten, Daten neu formatieren, kleine Scripts schreiben. Das wird vermutlich schon bald Realität werden.

Was ist Ihre Vision für die KI der Zukunft?

Ich möchte einen Algorithmus trainieren, der ähnlich wie ein Mensch lernt und möglicherweise sogar mit ihm zur Schule geht. Er würde sich auf ein Gebiet spezialisieren. Eine solche KI könnte uns in Zukunft unterstützen, in einer Weise Erkenntnisse zu gewinnen und Herausforderungen zu lösen, wie wir Menschen das allein aufgrund der steigenden Komplexität nicht mehr können. 

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Letzte Aktualisierung: 16.10.2023