Tecindustry Themen Globalisierung und Zusammenarbeit «Mit 22 bot man mir an, ein Werk mit 100 Mitarbeitenden zu leiten.»

«Mit 22 bot man mir an, ein Werk mit 100 Mitarbeitenden zu leiten.»

Mega Nathan ist Head of Functional Surfaces and Style beim Automobilzulieferer Autoneum in Winterthur. Mit seinem Team forscht er an Teppichen für die Innenausstattung von Fahrzeugen. Im Interview erzählt Mega Nathan von seiner Karriere und seinem Weg von Indien in die Schweiz.

Mega, warum hast du dich für einen technischen Beruf entschieden?
Mega Nathan:
Ich bin in Südindien aufgewachsen, in der Nähe der Stadt Coimbatore. Die Region ist bekannt für ihre Textilindustrie. Mein Vater arbeitete in der Textilindustrie und weckte mit seiner Begeisterung für Technik auch mein Interesse an dieser Branche. Nach der 10. Klasse absolvierte ich ein Studium an einer technischen Universität und arbeitete anschliessend als Supervisor in einer Textilfabrik in Indien. Später wechselte ich zu einem Textilmaschinenhersteller und machte parallel den Bachelor in Textil-Technologie.

Das tönt nach einer intensiven Zeit.
Mega Nathan:
Ja, das war es. Ich arbeitete 6 Tage die Woche von 8 bis 17 Uhr und besuchte Abendkurse an einer der besten Universitäten in der Region. Vor 21 Uhr kam ich nie nach Hause – und dies über vier Jahre lang. Auch beruflich ging es steil bergauf. Im zweiten Jahr meines Studiums bekam ich bereits das Angebot, ein Werk mit 100 Angestellten zu leiten. Damals war ich gerade erst 22 Jahre alt.

Und? Hast du das Angebot angenommen?
Mega Nathan:
Ja. Rückblickend würde ich mir diese Entscheidung wahrscheinlich länger überlegen, aber damals zögerte ich nicht. Ich war jung und die Chance verlockend, so sagte ich sofort zu. Die Lernkurve war steil.

Erzähl!
Mega Nathan: Ich habe unheimlich viele Fehler gemacht. Einmal hat sogar die ganze Belegschaft meinetwegen gestreikt, weil ich das Lohnsystem auf den Kopf stellen wollte. In einem Managementbuch hatte ich gelesen, welch positiven Effekt es hat, wenn man Mitarbeitende nach Leistung bezahlt. Ich wollte damit den jungen Leuten die Chance geben, mehr zu verdienen, wenn sie besser performen. In Indien ist das aber unüblich. Normalerweise entscheidet die Berufserfahrung über die Höhe des Gehalts.

Was hatte dieser Zwischenfall für Folgen?
Mega Nathan:
Zum Glück keine. Mein Vorgesetzter hatte grosses Vertrauen in mich. Er war zwar kritisch, aber er liess mich neue Ideen ausprobieren und meine eigenen Erfahrungen machen. Als ich das Unternehmen verliess, war mein Werk effizienter als alle anderen in der Gruppe. Die Kollegen waren mir sehr ans Herz gewachsen und der Abschied fiel mir entsprechend schwer. Aber ich wusste schon immer, dass es mich irgendwann ins Ausland ziehen würde.

Diesen Plan hast du dann auch in die Tat umgesetzt?
Mega Nathan:
Ja. Für das Masterstudium habe ich mir verschiedene Universitäten im Ausland angeschaut. Die meisten Studienkolleginnen und -kollegen haben sich für ein Masterstudium in den USA etnschieden. Da lag es für mich nahe, auch in die USA zu gehen, allein schon wegen der Sprache. Ich hatte die Zusage einer sehr guten Universität schon in der Tasche, als mein Mentor mir ins Gewissen redete. Er befürchtete dass ich im Software-Bereich versanden würde, was er angesichts meiner Erfahrung im Textilbereich für eine Verschwendung hielt. Er empfahl mir, stattdessen in ein Land zu gehen, im dem das Textilingenieurwesen eine grosse Rolle spielt, zum Beispiel nach Deutschland. So entschied ich mich, meinen Master an der University of Applied Sciences Niederrhein in Nordrhein-Westfalen zu machen.

Wie bist du schliesslich in die Schweiz gekommen?
Mega Nathan:
Mit 24 Jahren hatte ich im Vergleich zu den anderen Studierenden zwar schon sehr viel Praxiserfahrung, diese zählte aber in Deutschland nicht viel. Um im europäischen Markt Fuss fassen zu können, musste ich ein Praktikum bei einer Deutschen Firma absolvieren. So kam ich zu der Chemiefirma BASF in Ludwigshafen, wo ich auch meine heutige Frau kennenlernte. Von dort aus war der Schritt in die Schweiz nicht mehr weit.  Schon während meines Studiums in Indien war Rieter mein absoluter Traumarbeitgeber. Ich erinnere mich noch gut ans Vorstellungsgespräch. Die HR-Managerin war beeindruckt, was ich schon über die Rieter-Technologien wusste. Diese waren mir von meinem Studium und meinem Vater her bekannt. So kam ich zu meiner Traumstelle.

Du bist seit über 20 Jahren in der Textilbranche. Wird es dir nicht manchmal langweilig?
Mega Nathan:
(Lacht) nein! Auf keinen Fall. Lass mich das anhand einer Analogie erläutern. Ein Kind will LKW-Fahrer werden, später Zugfahrer, dann Arzt und schliesslich Ingenieur. Je mehr man an Erfahrung gewinnt, je mehr Details man sieht, desto mehr erkennt man, was noch möglich ist.

Was für Ziele hast du noch?
Mega Nathan:
Freude an der Arbeit haben. Ich sage mir immer: Solange du Spass hast, bei guter Gesundheit bist und bestenfalls auch noch ein bisschen Geld verdienst, kannst du alles machen, was du willst.

Zur Person

Mega heisst mit vollem Namen Meganathan Meenakshisundaram. Er ist in Südindien aufgewachsen, in einer Region, die stark durch die Textilindustrie geprägt ist. Seit 2007 arbeitet Mega bei Autoneum (ehemals Rieter), einem der führenden Hersteller von Akustik- und Hitzeschutz für Fahrzeuge. Mega hat Textil-Technologie in Indien und Deutschland studiert. Bei Autoneum in Winterthur arbeitet er im Research & Technology Team als Head of Functional Surfaces and Style. Mit seinem Team entwickelt er Teppichinnovationen für Fahrzeuge. In seiner Freizeit macht Mega viel Sport. Letztes Jahr hat er über 6000 Kilometer auf dem Rad zurückgelegt - der Arbeitsweg nicht miteingerechnet.

Diese Artikel könnten Sie interessieren

Letzte Aktualisierung: 04.03.2024