Tecindustry Magazin «Vielleicht können wir Verpackungen revolutionieren!»

«Vielleicht können wir Verpackungen revolutionieren!»

Starker Innovationsgeist und grosse Passion: In der Schweiz entstehen jedes Jahr rund 400 Start-ups. Woher kommen die Ideen? Und was bringt sie zum Fliegen? Wir haben vier vielversprechende Neugründerinnen und -gründer aus der Tech-Branche befragt. Teil 1: Wiederverwendbare und modulare Verpackungen im Lego-Stil.

Das Interview führte: Katharina Rilling, Studio Edit

Matthew Reali, mit Ihrem Start-up, PONERA GROUP, wollen Sie Verpackungen revolutionieren. Wie kamen Sie zu Ihrer Idee?

Matthew Reali: Es gibt im Kern zwei verschiedene Ansätze, wie es zu einer Innovation kommen kann: Für eine neue Technologie auf dem Markt wird eine passende Anwendung gesucht. Oder aber für ein konkretes Problem eine passende technologische Lösung. Unsere Idee ist aus einem Problem heraus entstanden.

Erzählen Sie.

Ich war bei Bühler in Uzwil beschäftigt, dort kümmerte ich mich auch um die Logistik. Auf meinem Heimweg sah ich, wie sich kaputte und alte Verpackungen stapelten. Weltweit sind Verpackungen und Paletten überdimensionierter Güter wie Maschinen, Möbel oder Kunst nicht standardisiert. Sie bestehen oft aus Holz, sind massgefertigt und gehen schnell kaputt. Deshalb werden mehr als 40% davon nur einmal benutzt und folglich verschwendet. Rund 30% des Holzes weltweit werden für industrielle Verpackung verwendet. Da sah ich Handlungsbedarf. Ich dachte: Vielleicht können wir die Verpackungen nicht nur verbessern, sondern gleich revolutionieren!

Wie?

PONERA macht Verpackungen, die man lange nutzen und je nach Zweck in verschiedenen Grössen zusammenbauen kann. Ähnlich wie Legosteine. Das Konzept ermöglicht eine Kreislaufwirtschaft. Die Bauteile bestehen aus 100% recyceltem Kunststoff und sind bis zu 60% leichter als ursprüngliche Verpackungen; sie optimieren die volumetrische Füllrate der Container im Transport und sind durch die Digitalisierung sogar mit Sensoren ausgestattet, also smart.

 

 

Wie haben Sie Ihre Idee geprüft? 

Ich war immer überzeugt von meiner Idee, da ich ja die Branche und deren Herausforderungen gut kannte. Meine Idee ist zudem sehr einfach. Ich sprach mit vielen Fachleuten und präsentierte ihnen meine Lösung, um ihre Inputs mitzunehmen. Das Konzept bekam sehr positives Feedback. Es ist aber auch so, dass bei Innovationen manche Menschen eher skeptisch reagieren und Einwände anbringen. Es ist dann eine Kunst, sich nicht verunsichern zu lassen und Kritik richtig einzuschätzen.

Was brachte die Idee dann zum Fliegen? Wann gab es den Startschuss: «Jetzt machen wir das!»

Von dem Moment an, als ich die Idee hatte, verging kein Tag, an dem ich nicht darüber nachdachte. Alles weitere folgte ganz natürlich, Step-by-step. Ich recherchierte gründlich, führte viele Gespräche und gründete ein Team. Dann entwickelten wir einen Prototypen und rechneten alles durch. 2019 gründeten wir die Firma. Seit 2020 arbeite ich nun Vollzeit daran.

Wie finanzieren Sie Ihre Idee?

Die ersten kleinen Investitionen für die Entwicklung tätigten wir mit Eigenkapital und mit Fundraising innerhalb meines Netzwerkes. Als es dann ans Produzieren ging, war es wichtig, industrielle Partner zu finden, die an die Idee glaubten. Wir fertigen mit Spritzgussform, weshalb für die Herstellung grössere Investitionen nötig waren. Es war uns auch wichtig, unsere Ressourcen in unsere Kernkompetenzen zu investieren, in Synergie mit unseren Partnern, die alles weitere übernahmen.

Kenntnis und Passion für die Industrie sind fundamental. Indem man die Augen offen hält, gegebenes hinterfragt und Probleme erkennt, kommen die Ideen von ganz alleine. Ich habe nie ein leeres Blatt Papier genommen und nach einer Idee für ein Start-up gesucht.

Matthew Reali, Co-Founder der PONERA GROUP

Was braucht es sonst noch, ausser einer Idee und Kapital?

Das Durchhaltevermögen, neue Probleme immer wieder anzupacken. Denn die wird es geben. Die Innovation ist schliesslich nie fertig und muss ständig verbessert werden. Die Idee ist die Basis. Aber auch die Businessmodelle müssen gleich mitgedacht werden, parallel zur Technologie, der Entwicklung und den Marktbedürfnissen. Am besten bleibt man hierfür nahe am Markt und den Kunden und schaut genau hin, was wirklich gewünscht ist.

Sie waren technischer Experte – nun sind Sie Unternehmer. War das ein grosser Schritt für Sie?

Nein, alle Erfahrungen sind für mich wichtige und natürliche Puzzleteile in diesem Abenteuer. Die Industrie und der Betrieb, vor allem die Logistik, hängen immer mit dem Business zusammen. Ich hatte Glück, viele Unternehmerinnen und Manager in meinem Umfeld zu haben, denen ich viele Fragen stellen konnte. 

Wie kann unsere Branche noch start-up-freundlicher werden?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Branche start-up-freundlich ist. Schweizer Unternehmen und Fachleute sind grundsätzlich offen für Innovationen. Das liegt wahrscheinlich in unserer DNA. Aufgrund der höheren Kosten als in anderen Regionen, müssen wir innovativ sein, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen – insbesondere im verarbeitenden Gewerbe. In diesem Segment kann die Umsetzung von Änderungen länger dauern und höhere Investitionen erfordern. Was könnte also besser sein? In der Logistikbranche sind die Vorschriften auf alte Lösungen ausgelegt, die nicht immer mit den neusten Technologien Schritt halten können. Da läuft es zu langsam. Und: In einer stark konsumorientierten Wirtschaft werden Kreislaufwirtschaftslösungen, die eigentlich «die Norm» sein sollten, oft als exotische Prozesse behandelt. Wir brauchen hier ein Umdenken.

Ich war immer überzeugt von meiner Idee, da ich die Branche gut kannte.

Matthew Reali, Co-Founder der PONERA GROUP

Wie kooperativ sind etablierte Unternehmen in unserer Branche, wenn es um die Zusammenarbeit mit Start-ups geht?

Für ein junges Unternehmen wie unseres im B2B-Geschäft ist die Unterstützung durch Industriepartner von grundlegender Bedeutung, sowohl bei der Produktentwicklung als auch für den finanziellen Part. Wir hatten das Glück, unsere wichtigsten Handelspartner schon zu kennen, bevor wir überhaupt ein physisches Produkt auf den Markt bringen konnten. Zudem haben wir starke Beziehungen zu vielen gleichgesinnten Entwicklungs- und Produktionspartnern aufgebaut. Ohne diese Kooperationen wäre unser Fortschritt unmöglich gewesen. Die Herausforderungen bei der Zusammenarbeit zwischen kleineren und grösseren Unternehmen ergeben sich typischerweise daraus, dass sie nicht die gleichen Zeitvorgaben und das gleiche Gefühl der Dringlichkeit haben. Grosse Unternehmen legen mehr Priorität auf laufende Projekte. Für Start-ups ist es wichtig, diese Risiken für sich selbst frühzeitig zu steuern, vor allem im Hinblick auf die Liquidität.

Würden Sie es wieder tun?

(lacht) Ich denke schon! Ich habe mir die Frage eigentlich noch nie gestellt. Ich lerne sehr viel und die Passion ist immer noch da. Wir haben ein gutes Team und viel Unterstützung von den Beteiligten, was meine Motivation fördert.

Welche Ratschläge würden Sie Start-up-Gründern mit auf den Weg geben?

Jede Geschichte ist anders und daher muss jeder neue Gründer und jede neue Gründerin den eigenen Weg finden. Ich kann empfehlen: erstmal in einer Top-Firma anzufangen, die einen stark interessiert und von Menschen mit relevanter Erfahrung lernen. Wer dann mit Passion dabei ist, dem kommen die Ideen fast automatisch. Ich selber habe nie ein leeres Blatt Papier genommen und nach einer Idee für ein Start-up gesucht. Am Ende sollte man sich dann darauf konzentrieren, was einen auszeichnet und wo die eigenen Lösungen einzigartig und stark sind. Das Netzwerk kann alles andere abnehmen.

Weitere Informationen zu PONERA GROUP

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Letzte Aktualisierung: 02.05.2023