Tecindustry Eine faszinierende Entdeckung

Eine faszinierende Entdeckung

Noel hat schon als Kind viel Zeit auf Baustellen verbracht und das Zusammenspiel der Maschinen beobachtet. Später entschied er sich für eine Lehre als Anlagenbauer, um noch tiefer in die Welt der Technik einzutauchen. Eine an sich alltägliche Situation weckte seine Neugier und gab den Anstoss für eine faszinierende Reise.

Text: Alena Sibrava, Swissmem

Als Noel (20) eines Abends auf dem Heimweg von seiner Arbeit auf dem Bahnsteig stand, donnerte ein Güterzug vorbei. Noel hatte nahe an der weissen Sicherheitslinie gestanden und war überrascht, wie kräftig der Luftstrom war, der ihn erfasste. Am nächsten Tag war Noel mit dem Auto unterwegs. Bei der Ausfahrt Wil staute es und alle Autos warteten auf dem Pannenstreifen. Jeder Lastwagen, der an Noels Auto vorbeifuhr, liess es leicht erzittern. Diese zwei Erlebnisse brachten Noel zum Nachdenken: «Ich fragte mich: Wenn es ruckelt, muss irgendwo Energie vorhanden sein. Könnte man diese nutzen und in Strom umwandeln?», erzählt Noel.

Von der Idee zum Feldversuch

Der Gedanke liess ihn nicht mehr los. Er begann zu recherchieren und merkte schnell, dass noch wenig dazu erforscht worden war. Umso mehr reizte es ihn, der Sache auf den Grund zu gehen. Im Rapid Prototyping-Verfahren baute er eine erste Turbine mittels 3D-Druck und testete sie am Strassenrand. «Mein Bruder fuhr mit dem Auto mehrmals daran vorbei und ich schaute, ob sie sich dreht», erzählt Noel und lacht bei der Erinnerung an diese ersten rudimentären Feldversuche. Durch den Test fand er viel heraus. Es zeigte sich, dass die Turbine zu schwerfällig war, um richtig zu funktionieren. Auch realisierte er, dass ein kleines Auto zu wenig Luftströmung erzeugt. Für seinen nächsten Versuch musste ein Lastwagen her.

Als Kind beobachtete ich stundenlang die Bauarbeiter auf den Baustellen. Das Zusammenspiel der Maschinen hat mich schon damals fasziniert.

Noel Rhyner, Junior Simulation Engineer bei Bühler

Nachhaltige Ideen sind gesucht

Inzwischen hatte sich Noels Projekt innerhalb von Bühler herumgesprochen. Noel absolvierte gerade seine Lehre als Anlagen- und Apparatebauer beim Ostschweizer Technologieunternehmen und hatte sich für einzelne Fragen Tipps von den Experten geholt. Bühler engagiert sich stark im Bereich der Nachhaltigkeit. Das Unternehmen hat es sich zum ehrgeizigen Ziel gemacht bis 2025 skalierbare Lösungen anzubieten, die Energie, Abfall und Wasser in den Wertschöpfungsketten seiner Kunden um 50% gegenüber 2019 reduzieren. Entsprechend gefördert werden Ideen von Mitarbeitenden, die dazu beitragen CO2-Emissionen zu senken. So kam es, dass auch Bühler-Kolleginnen und -Kollegen Noel ermutigt haben, sein Projekt für die Teilnahme an «Schweizer Jugend forscht» einzureichen. Ein nationaler Wettbewerb, der jungen Forscherinnen und Forschern aus allen Fachrichtungen die Möglichkeit bietet, ihre Arbeiten einer Expertenjury zu präsentieren und dabei Neugier und Interesse an Wissenschaft und Forschung fördert.

Schwierige Testbedingungen gefährden das Projekt

Motiviert durch das klare Ziel vor Augen und die Unterstützung durch seinen Betrieb, wagte sich Noel an die Optimierung der Windturbine. Er erstellte Prototypen aus Holz und Aluminium, die grösser waren und mehr Leistung erzeugen konnten. Damit ging er auf Partnersuche für den Praxischeck. «Die Testphase war schwierig. Alle fanden es zwar eine gute Idee, aber niemand konnte mir wirklich weiterhelfen», erinnert sich Noel. Nach längerer Suche fand er schliesslich ein Logistikunternehmen, das bereit war, mit Lastwagen an der Turbine vorbeizufahren. Die Tests seien aber nur mässig erfolgreich ausgefallen, erzählt Noel. Beim ersten Versuch habe die Geschwindigkeit der Fahrzeuge nicht gepasst und der zweite Versuch auf einer Thurgauer Landstrasse habe an einem windigen Tag stattgefunden. So sei es schwierig gewesen, zu unterscheiden, welcher Luftstrom von den Fahrzeugen herrührte und was dem natürlichen Wind zuzuschreiben war.

So konnte er den Nachweis letztlich doch noch erbringen

Viel Zeit habe er auch für administrative Aufgaben gebraucht, erinnert sich Noel. So habe er zum Beispiel vergeblich versucht, eine Bewilligung für Tests an Bahngleisen zu erhalten, was für die Turbine der ideale Standort wäre: «Güterzüge sind aerodynamisch schlecht profiliert, wodurch beim Fahren stärkere Luftströmungen erzeugt werden. Zudem haben Züge immer den gleichen Abstand zum Rand, was sich ebenfalls positiv auf die Leistungsfähigkeit meiner Turbine auswirkt», erklärt Noel. Nachdem sich der Praxischeck in der Kürze des Projekts als schwierig erwiesen hatte, nutzte Noel physikalische Prinzipien, um den abschliessenden Nachweis der Funktionsfähigkeit zu erbringen. Mithilfe von numerischer Strömungsmechanik und Computersimulationen berechnete er die potenzielle Leistung seiner Turbine. Die Jury von «Schweizer Jugend forscht» würdigte sein Projekt mit dem Prädikat «sehr gut». Zudem gewann er einen der begehrten Sonderpreise.

Eine prägende Kindheitserfahrung

Wie es mit dem Projekt weitergeht, ist noch unklar. «Ich würde gerne weiter daran arbeiten, aber momentan fehlt mir dafür die Zeit», sagt Noel. Nach den Sommerferien beginnt er mit der einjährigen Passerelle, um danach an einer Universität Maschinenbau zu studieren. Parallel arbeitet er weiter bei Bühler als Junior Simulation Engineer. Seine Zukunft sieht er klar in einem technischen Beruf. Das sei schon immer so gewesen, berichtet Noel: «Als Kind beobachtete ich stundenlang die Bauarbeiter auf den Baustellen. Das Zusammenspiel der Maschinen hat mich schon damals fasziniert. Die Art und Weise, wie alles ineinandergreift und funktioniert, sowie die Tatsache, dass Technik und Maschinen unser Leben so viel einfacher machen, sind Aspekte, die mich auch heute noch begeistern.»  

Wo Ideen Form annehmen: Das Bühler Energy Center

Unter dem Motto «Mach di fit!» eröffnete der Schweizer Technologiekonzern Bühler im Juni 2023 sein Bühler Energy Center auf dem Campus in Uzwil. Mit dem neuen Bau wurde ein Ort geschaffen, der die Mitarbeitenden eigenverantwortlich beim Lernen und «Auftanken» unterstützt. Während die Lernenden der technischen Berufe früher auf verschiedene Werkhallen verteilt waren, arbeiten sie nun an einem Ort zusammen und sind gleichzeitig in den Betrieb integriert. So wird auch der Austausch unter den Generationen gefördert. Dank modernster Anlagen und der Nähe zum Prototyping-Bereich können gute Ideen schnell umgesetzt und in der Praxis überprüft werden.   

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Letzte Aktualisierung: 19.07.2023