Tecindustry Weltallmüll: Wie funktioniert eine Aufräumaktion?

Weltallmüll: Wie funktioniert eine Aufräumaktion?

Ohne den Weltraumsektor geht in der modernen Gesellschaft nichts. Die Schweiz ist von Anfang an mit dabei, und jeder Satellit, der die Erde umkreist, trägt hiesige Technologie mit sich. Aber der Platz in den Erdumlaufbahnen ist beschränkt und die Gefahr von Kollisionen wächst. Die europäische Raumfahrtbehörde ESA will aufräumen und hat das Schweizer Start-up ClearSpace mit der Entwicklung eines Aufräumsatelliten beauftragt.

Luc Piguet, was ist das Ziel der Mission ClearSpace-1?

ClearSpace hat von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) den Auftrag erhalten, erstmals ein Stück Weltraumschrott aus der Umlaufbahn zu entfernen. Nach seinem Start im Jahr 2025/26 wird der ClearSpace-1-Servicer-Satellit ein verlassenes ESA-eigenes Objekt treffen und es mit vier Gelenkarmen einfangen. Anschliessend wird der Servicer das Objekt nach unten ziehen, so dass es wieder in die Erdatmosphäre eintritt und dort vollständig verglüht. ClearSpace-1 ist ein Meilenstein in der Entwicklung erschwinglicher Beseitigungsdienste. Es soll die Machbarkeit der Weltraumsanierung demonstrieren und einen Paradigmenwechsel bei der Durchführung von Weltraumoperationen herbeiführen: Satelliten und Raketenkörper sollen am Ende ihres Lebenszyklus eingefangen werden, statt in der Umlaufbahn zu verbleiben, wo sie eine Gefahr für andere Objekte darstellen.

Warum ist es wichtig, nicht mehr funktionstüchtige Satelliten aus der Umlaufbahn zu holen?

In unserer zunehmend vernetzten und digitalisierten Gesellschaft verlassen wir uns in vielen Bereichen immer mehr auf weltraumgestützte Infrastrukturen. Viele lebenswichtige Dienste wie das Internet, der Gütertransport, autonome Fahrzeuge, die Überwachung des Klimawandels, Tsunamiwarnsysteme und Wettervorhersagen sind auf funktionstüchtige Satelliten angewiesen. Die Weltraumnutzung wird jedoch durch die zunehmende Menge an Weltraummüll bedroht. Satelliten müssen einer wachsenden Zahl von Trümmerteilen ausweichen – von tonnenschweren Raketenstufen bis hin zu kleinen Bolzen. Da sich die Objekte extrem schnell bewegen, kann selbst der Zusammenstoss mit kleinen Objekten verheerende Schäden verursachen. Wird ein operativer Satellit von einem Trümmerteil getroffen, kann dies zu grossen Störungen auf der Erde führen. Daher ist es äusserst wichtig, ausgefallene Satelliten aus der Umlaufbahn zu entfernen, bevor sie durch Explosionen oder Kollisionen mit anderen Objekten weitere Trümmerteile erzeugen.

In unserer zunehmend vernetzten und digitalisierten Gesellschaft verlassen wir uns in vielen Bereichen immer mehr auf weltraumgestützte Infrastrukturen. Viele lebenswichtige Dienste wie das Internet, der Gütertransport, autonome Fahrzeuge, die Überwachung des Klimawandels, Tsunami-Warnsysteme und Wettervorhersagen sind auf funktionstüchtige Satelliten angewiesen.

Luc Piguet, CEO and Co-Founder ClearSpace

Welche Rolle spielt die Schweizer Raumfahrtindustrie in diesem prestigeträchtigen europäischen Projekt?

Die Schweiz ist Gründungsmitglied der ESA und hat die Entwicklung der europäischen Raumfahrtaktivitäten von Anfang an unterstützt. Mit ClearSpace-1 geht die Schweiz noch einen Schritt weiter, indem sie einen massgeblichen Beitrag zur Finanzierung leistet. Die Entwicklung, die Herstellung und der Betrieb des ClearSpace-1 Servicer erfolgen unter der Federführung von ClearSpace und beruhen auf starken Schweizer Kompetenzen. Zehn Schweizer Unternehmen und Institutionen mit hervorragenden Kompetenzen und fundiertem Know-how sind daran beteiligt: APCO Technologies, Beyond Gravity, CYSEC, Micro-Cameras & Space Exploration, nanoSPACE und Solenix als Partner aus der Industrie sowie aus der Wissenschaft das Astronomische Institut der Universität Bern (AIUB), die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL) und die Fachhochschule Westschweiz (HES-SO). ClearSpace ist zudem eine Partnerschaft mit dem Schweizer Uhrenhersteller OMEGA eingegangen.

Wo stehen wir jetzt und wie sieht der Zeitplan des Projekts aus?

2019 wählte die ESA ClearSpace aus über einem Dutzend Mitbewerbern für die Leitung der bahnbrechenden Mission ClearSpace-1 aus. Der Servicevertrag mit der ESA für die Mission wurde im Dezember 2020 unterzeichnet. Anschliessend nahmen die Arbeiten für die Mission ihren Lauf. Seither hat ClearSpace ein internationales Team erfahrener Ingenieurinnen und Ingenieure aufgebaut und zählt heute über 70 Mitarbeitende. Das Team hat die Entwicklung der Schlüsseltechnologien vorangetrieben und die Grundlagen für die ClearSpace-1-Mission geschaffen. Dabei geht es längst nicht nur um die Beseitigung von Weltraummüll: auch andere Dienste im Orbit profitieren von den Entwicklungen, wie z. B. die Aufrechterhaltung der Station, die Betankung oder Reparaturen. Durch die ClearSpace-1-Mission wird zudem den Weg zu einer Kreislaufwirtschaft im Weltraum geebnet.

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Letzte Aktualisierung: 02.02.2023