Jonas wollte schon immer mal einen Roboter bauen. Als sich die Chance in seinem letzten Bachelor-Jahr an der ETH ergab, zögerte er deshalb nicht lange: Zusammen mit seinem Studienkollegen Christian initiierte er das Projekt «Tethys Robotics», um einen Unterwasserroboter zu bauen. Ein Team aus Maschinenbau-Studenten, angehenden Elektroingenieuren und Informatikern war schnell gefunden und geboren das ehrgeizige Ziel, im Bereich der Unterwasserrobotik in der Schweiz Pionierarbeit zu leisten.
Binnenland misst sich mit Küstenstaaten
Dass die Schweiz keinen Meeresanstoss hat, war dabei kein Hinderungsgrund, sich auch international zu messen: Die acht Studenten meldeten sich beim internationalen Unterwasserroboter-Wettbewerb der «MATE ROV Competition» in Tennessee, USA an und arbeiteten fortan drei Monate lang rund um die Uhr. Als sie im Juni 2019 in Tennessee den Boden betraten und ihr Roboter mit dem Namen «Scubo» das erste Mal im olympischen Schwimmbecken nach Gegenständen tauchte, war die Erleichterung gross. Tethys Robotics schaffte es direkt unter die besten 10 Teams.
Von der künstlichen Umgebung ins heimische Wasser
Wieder zu Hause ging es dann erst richtig los: «Der Wettbewerb hatte uns gezeigt, dass wir als Team funktionieren. Das hat uns ermutigt, auch ausserhalb des Studiums zusammenzuarbeiten und unseren Roboter weiterzuentwickeln», so Jonas. Verbesserungspotenzial sei nämlich durchaus noch vorhanden gewesen. Scubo habe sich zwar für Einsätze im Swimmingpool bewährt, viel tiefer als 20 Meter konnte der Roboter damals aber noch nicht tauchen. «Wir haben uns gesagt, wenn wir weitermachen, dann brauchen wir eine Lösung, die in unseren Schweizer Gewässern funktioniert», sagt Jonas. Das war auch die Voraussetzung für eine Forschungszusammenarbeit mit dem Bund, den sie schon als Partner für den Wettbewerb hatten gewinnen können.
Ein Multitasking-Talent
Für den Bund sind die Roboter von Tethys Robotics insbesondere für Suchaufträge von grossem Interesse. «Nach dem 2. Weltkrieg wurden in der Schweiz viel Munition und andere militärische Güter in den Gewässern entsorgt. Mit unseren Robotern können wir einerseits danach tauchen und andererseits überprüfen, ob Schäden an der Umgebung entstanden sind», so Jonas. Der Seeroboter «Proteus» ist das Nachfolgemodell von Scubo. Er ist mit zwei Kamerasystemen ausgestattet, einer visuellen und einer akustischen, sogenannten Sonar-Kamera. Diese ist nötig, weil die Sicht in den Seen oft auf wenige Meter beschränkt ist. Die Sonar-Kamera sieht dagegen 40 Meter weit und funktioniert nach dem Kommunikationsprinzip der Fledermaus: Diese schickt permanent Ultraschallwellen in ihre Umgebung. Stösst eine Welle an ein Objekt wie einen Baum, eine Hauswand oder ein Beutetier, wird sie reflektiert. Die Fledermaus fängt diese Reflektion ein und kann anhand der verstrichenen Zeit berechnen, wie weit das Objekt entfernt ist. Das Sonar zeichnet ein 3D-Bild, ähnlich einer Ultraschall-Aufnahme, die dem Piloten hilft, den Roboter entsprechend zu steuern. Aber nicht nur Suchaufträge erfüllt Proteus effizient, auch für Wasserqualitätsmessungen lässt er sich einsetzen. Der Vorteil gegenüber herkömmlichen Verfahren liegt darin, dass der Roboter mit einer Sonde ausgestattet einen zuvor festgelegten Pfad abfahren kann und so Daten zu PH-Wert, Sauerstoffgehalt und dergleichen liefert, die geographisch exakt zuordenbar sind.
Symbiose zwischen Mensch und Maschine
Wenn Jonas und sein Team einen Einsatz haben, sind sie in der Regel mit professionellen Tauchern unterwegs. «Natürlich arbeiten wir darauf hin, dass unser Roboter irgendwann autonom Arbeiten durchführen kann. Auf die Expertise der Taucher werden wir aber nie ganz verzichten können», ist Jonas überzeugt. Zum Beispiel, wenn es darum gehe, Indizien zu überprüfen und zu bewerten, wie es bei Einsätzen der Seepolizei notwendig ist. Vielmehr vereinfache der Roboter die physisch anstrengende Arbeit des Tauchers und minimiere die Risiken, welchen dieser ausgesetzt sei. Statt wertvolle Tauchzeit für die Suche nach Gegenständen zu verlieren, könne die Vorarbeit künftig auch der Roboter erledigen. «Der Roboter kann so oft und so schnell auf- und abtauchen, wie es der Einsatz verlangt, während der Taucher an die Dekompressionszeit gebunden ist», erklärt Jonas. Zudem liefert er anhand Bildern wertvolle Informationen über den Einsatzort, die dem Taucher helfen, möglichst effizient seine Arbeit auszuführen.
Aus Studentenprojekt wird Start-Up
Nach drei Jahren Entwicklungszeit im studentischen Umfeld ist es nun an der Zeit, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Tethys Robotics plant im Verlauf des nächsten Jahres ein Start-Up zu gründen. Auf der technischen Seite stehen zwei Meilensteine bevor: Beim Seeroboter Proteus werden im Sommer die letzten Tests und Feedbackgespräche mit dem Bund durchgeführt. Daneben arbeitet das Team unter Hochdruck an einem Flussroboter Osiris. Dieser basiert auf dem gleichen Grundprinzip wie seine Vorgängermodelle, hat aber einen stärkeren Antrieb, um der Strömung des Flusses entgegenzuhalten. Im Sommer soll er erste Tests in der Reuss fahren.
Zur Person
Jonas hat in St. Gallen das Mathematisch-Naturwissenschaftliche Gymnasium absolviert. Technik hat ihn schon damals fasziniert. Im Rahmen der Maturarbeit hat er deshalb ein Windrad gebaut.
Auf der Suche nach einem passenden Studium, zog er Informatik, Elektroingenieurwissenschaft und Maschinenbau in Betracht. Letztlich entschied er sich für ein Maschinenbau-Studium an der ETH, weil ihm dieses eine breite Palette an Weiterentwicklungsmöglichkeiten bot.
Während des Studiums begann sich Jonas zunehmend für Robotik zu interessieren – ein Feld, in dem angewandte Forschung möglich ist. Jonas schätzt daran, dass er seine Zeit nicht nur vor dem PC verbringt, sondern oft in der Natur ist, um seine Roboter zu testen. Direkt zu sehen, was funktioniert und was nicht, empfindet er dabei als sehr befriedigend.