Interview: Philippe D. Monnier
Im März 2025 gab die Komax Gruppe für das Geschäftsjahr 2024 ein Betriebsergebnis bekannt, das im Vergleich zum Vorjahr um 76,3 Prozent zurückgegangen war. Darüber hinaus verzeichnete das Unternehmen einen Rückgang der Aufträge (-15,9 %) und des Umsatzes (-16,2 %). Hauptgrund waren die geopolitischen Unsicherheiten, welche sich negativ auf die Investitionsbereitschaft der Kunden auswirkte. Vor diesem Hintergrund gab Matijas Meyer, seit 2015 CEO der Komax Gruppe, in seinem Luzerner Hauptsitz ein grosses Interview.
Das Jahr 2024 war für Komax schwierig. Wie sehen Sie die kommenden Quartale und die längerfristige Zukunft?
Was die Auftragseingänge betrifft, so verbessert sich die Lage. Doch die Instabilität – insbesondere geopolitischer Natur – bleibt bestehen. Es ist derzeit schwierig, verlässliche Prognosen für das laufende Jahr zu erstellen.
Glücklicherweise bleiben die langfristigen Trends positiv, insbesondere die zunehmende Elektrifizierung. Dadurch steigt die Nachfrage nach Kabeln – und somit auch nach unseren Produkten. Die Bearbeitung dieser Kabel erfolgt vielerorts noch manuell. Das birgt ein erhebliches Potenzial für unsere Automatisierungslösungen. Sie ermöglichen unseren Kunden erhebliche Effizienzgewinne. Aus all diesen Gründen rechnen wir mit einem jährlichen Wachstum von durchschnittlichen sechs bis neun Prozent.
Zur Reduktion Ihrer Kosten und Ihrer Struktur haben Sie eine Reihe von Massnahmen ergriffen. Hätten Sie diese auch ohne die Herausforderungen des Jahres 2024 umgesetzt?
Ja, aber der Rückgang der Auftragseingänge hat die Umsetzung dieser Massnahmen beschleunigt. Die Zeit vor der Pandemie war von schnellem Wachstum geprägt. Danach, per Ende August 2022, haben wir uns mit der Schleuniger Gruppe zusammengeschlossen. Dadurch sind elf zusätzliche Gesellschaften zur Komax Gruppe gestossen und unser Umsatz erhöhte sich um 50 Prozent. Dies führte allerdings auch zu einer komplexeren Struktur und einem breiteren Produktspektrum.
Deshalb war es unser Ziel, unsere Organisation zu vereinfachen. Wir haben unsere Vertriebskanäle von 80 auf 50 reduziert und straffen unsere Produktionsstrukturen. Das umfasst insbesondere die Vermeidung von Doppelspurigkeiten. Dies führte zu Kapazitätsreduktionen, vor allem in Deutschland. Gleichzeitig bauen wir unsere Kapazitäten in den Wachstumsmärkten China und Indien aus.
Wir streben eine Produktpalette an, die alle Preissegmente abdeckt, um uns gegen alle Marktteilnehmer behaupten zu können.
Wie sieht es mit der Rationalisierung Ihrer Produktpalette aus?
Auch bei den Produkten gilt es Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Wir straffen das Produktportfolio und setzen dabei auf eine «Best-of»-Strategie. Bei gleichwertigen Produkten von Komax und Schleuniger behalten wir jenes mit der grösseren Marktakzeptanz. Wenn wir es weiterentwickeln, ergänzen wir es mit den besten Komponenten aus den nicht mehr angebotenen Produkten.
Natürlich muss dieser Prozess schrittweise erfolgen. Und die Ankündigung, dass eine Produktlinie eingestellt wird, muss frühzeitig kommuniziert werden, um keine Kunden zu verlieren oder zu verärgern. Anders gesagt: Wir wollen durch die Optimierung unseres Produktportfolios unseren Wettbewerbern nicht neue Verkaufschancen bieten – was uns bisher gut gelungen ist.
Wie gestalten Sie die Weiterentwicklung Ihres Produktsortiments, und welche Rolle spielt dabei künstliche Intelligenz?
Komax ist seit Jahrzehnten auf die Automatisierung der Kabelkonfektion spezialisiert. Zusätzlich zur erwähnten Optimierung unseres Produktportfolios setzen wir auf die Modularisierung von Baugruppen. Wir streben eine Produktpalette an, die alle Preissegmente abdeckt, um uns gegen alle Marktteilnehmer behaupten zu können.
In den letzten Jahren haben wir uns zudem noch stärker auf Digitalisierung und intelligente Fabriklösungen ausgerichtet – insbesondere mit unserem Konzept «SMART FACTORY by KOMAX». Es hebt die Produktivität und Qualität der Kabelkonfektion durch intelligente, vernetzte und selbstoptimierende Prozesse auf ein neues Niveau. Dadurch können unsere Kunden umfangreiche Daten erfassen und nutzen, um etwa das Gleichgewicht zwischen Produktionsgeschwindigkeit und Ausschussrate zu optimieren.
Haben die neuen US-Zölle Auswirkungen auf Ihr Geschäft?
Mittelfristig ist dieser Handelskonflikt negativ für unsere Gruppe, da die Endkonsumenten darunter leiden und weniger Produkte kaufen werden – insbesondere im Automobilbereich.
Kurzfristig wirken sich die Massnahmen jedoch zu unseren Gunsten aus: Unsere Hauptkonkurrenten auf dem US-Markt produzieren in Asien, insbesondere in China. Deren Produkte unterliegen momentan höheren Zöllen als unseren in der Schweiz gefertigten.
Zudem exportieren wir einen grossen Teil unserer Produkte an Automobilzulieferer in Mexiko, wo rund 500 000 Personen beschäftigt sind. Diese Zulieferer exportieren ihre Komponenten zollfrei weiter an US-Autobauer.
Eine Verlagerung zusätzlicher Produktion in die USA wäre denkbar. Aber dies würde Zeit in Anspruch nehmen, um geeignte Lieferanten zu finden.
Und wenn die US-Zölle auf mexikanische Exporte steigen sollten – zum Beispiel bei einer Aufhebung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens?
In diesem Fall wäre es eine Option, dass unsere Kunden die Produktion teilweise von Mexiko in die USA zurückverlagern. Dadurch würde die Nachfrage nach unseren Automatisierungslösungen vermutlich stark steigen. Viele Tätigkeiten werden heute in Mexiko manuell durchgeführt. Das wäre aus Kostengründen in den USA nicht mehr möglich.
Wir verfügen über eigene Gesellschaften in den USA, die gewisse individuelle Anpassungen an standardisierten Produkten aus der Schweiz vornehmen. Eine Verlagerung zusätzlicher Produktion in die USA wäre denkbar. Aber dies würde Zeit in Anspruch nehmen, um geeignete Lieferanten zu finden. Und gewisse Komponenten müssten wohl weiterhin importiert werden.
Was ist für Komax in den laufenden Verhandlungen mit der Europäischen Union besonders wichtig?
Möglichst wenige Handelshemmnisse sowie regulatorische Klarheit und Stabilität.
Der Handel mit China ist spürbar einfacher geworden: reibungslosere Zollverfahren, klarere Klassifizierungen, visafreie Einreise, geringere Zölle.
Sind Freihandelsabkommen – etwa mit China – für Sie von Nutzen?
Ja. Der Handel mit China ist spürbar einfacher geworden: reibungslosere Zollverfahren, klarere Klassifizierungen, visafreie Einreise, geringere Zölle. Auch wenn nicht all diese Verbesserungen direkt aus dem Freihandelsabkommen Schweiz–China resultieren, hat dessen Existenz positive Nebeneffekte gebracht.
China wird durch zwei Teilübernahmen zunehmend wichtiger für Ihre Strategie. Welche Herausforderungen bestehen dort?
China ist einerseits der Markt mit dem für uns grössten Wachstumspotenzial und anderseits die Region, aus der die meisten unserer Wettbewerber stammen. Daher ist China enorm wichtig für uns. Wir haben 2024 unsere Marktposition dort stärken können: Durch die Übernahme der Mehrheit an Hosver (56%), die im Bereich der Elektromobilität eine führende Position einnimmt und einer Beteiligung am Softwareunternehmen E-Plus (5%).
Um in China noch erfolgreicher zu sein, müssen wir lernen, lokale Lieferanten besser zu nutzen, um von ihren wettbewerbsfähigen Preisen zu profitieren. Schlüsselkomponenten importieren wir weiterhin. Die Sprachbarriere bleibt eine Herausforderung. Jedoch ist die Loyalität unserer rund 500 Mitarbeitenden vor Ort vorbildlich. Und die Geschäftsethik in China hat sich deutlich verbessert.
Sie streben einen Umsatz von 1 bis 1,2 Milliarden CHF bis 2030 an. Setzen Sie eher auf organisches Wachstum oder auf Übernahmen?
Beides. Manche Märkte wachsen so schnell, dass wir gezwungen sind, Wettbewerber zu übernehmen – trotz der damit verbundenen Integrationsaufwände. Zudem gibt es in unserem Bereich viele Unternehmen ohne Nachfolgeregelung. Andere, insbesondere in Schwellenländern, suchen Finanzierung, um weiter wachsen oder überhaupt überleben zu können.
In den für uns wichtigen Märkten ist es essenziell, direkten Kontakt zu unseren Kunden zu haben.
Sie möchten näher an Ihre Kunden rücken. Bedeutet das mehr Tochtergesellschaften und weniger externe Vertriebspartner?
In den für uns wichtigen Märkten ist es essenziell, direkten Kontakt zu unseren Kunden zu haben – nicht nur, um Produkte zu verkaufen, sondern auch um ihre Bedürfnisse zu verstehen und einen hervorragenden Service zu bieten. Wenn eine gewisse Marktgrösse gegeben ist, setzen wir deshalb auf eigene Tochtergesellschaften.
Werden Sie auf «Komax» als Einheitsmarke setzen?
Wir haben eine Mulitbrand-Strategie und verfügen nach unseren jüngsten Übernahmen aktuell über acht Marken. Bei jeder Marke, die neu zur Komax Gruppe stösst, nehmen wir eine individuelle Beurteilung vor, ob wir sie behalten oder nicht. Ist eine Marke in einer Region bzw. in einem Markt stark etabliert, ergibt es wenig Sinn, sie aufzugeben, da dies die Kundschaft verunsichern könnte. Dennoch ist die generelle Richtung klar: Wir wollen die Marke Komax stärken.
«Metall Zug» hält 25 % an Komax. Ist ein solcher Ankeraktionär ein Vorteil?
Ja, Metall Zug gibt unserem Aktionariat eine gewisse Stabilität, so dass wir unsere auf nachhaltiges, langfristiges Wachstum ausgerichtete Strategie umsetzen können – auch in turbulenten Zeiten.
Ist die Börsennotierung an der Schweizer Börse ein klarer Vorteil?
Ja, denn sie fordert von uns finanzielle Disziplin. Das ist positiv. Der Nachteil? Die Transparenz kommt oft eher den Mitbewerbern als den Kunden zugute. Ich bedaure auch, dass manche Investoren uns nur als Autozulieferer sehen, obwohl wir in erster Linie ein Technologieunternehmen sind, das eng mit den Megatrends Elektrifizierung und Automatisierung verknüpft ist. Zudem spiegelt unsere Börsenbewertung nicht immer unsere Geschäftszahlen wider. Und manchmal führen externe Faktoren, die wir nicht beeinflussen können, zu irrationalen Kursschwankungen.
Natürlich zwingen uns die hohen Löhne dazu, stetig auf höchstem Produktivitäts- und Effizienzniveau zu sein.
Sind Sie mit den Rahmenbedingungen in der Schweiz – insbesondere im Kanton Luzern – zufrieden?
Ja, die Schweiz bietet viele Vorteile: eine verlässliche Lieferkette, hohe Arbeitsmoral, ein liberaler, dynamischer Arbeitsmarkt, Kurzarbeitsregelungen sowie eine wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung. Natürlich zwingen uns die hohen Löhne dazu, stetig auf höchstem Produktivitäts- und Effizienzniveau zu sein.
Vier persönliche Fragen
Was war ihre grösste Freude als Führungsperson? Zu erleben, wie an einer Messe alles aus verschiedenen Standorten der Welt zusammenkommt und so aus einem Guss präsentiert wird, dass Kunden die unterschiedliche Herkunft nicht bemerken, während unsere Mitarbeitenden die Kunden mit Stolz begeistern.
Was war ihr grösster Frust als Führungsperson? Dass wir aufgrund der Corona-Pandemie die neue vertikale Fabrik bzw. das Innovationszentrum am Hauptsitz in Dierikon, das Ende 2019 fertiggestellt wurde, lange nicht richtig nutzen konnten.
Was tun Sie als Ausgleich zur Arbeit? Familie, Sport und Klavier spielen.
Was möchten Sie einem jungen Nachwuchstalent mit auf den Weg geben? Was immer du tust, tu es mit Freunde und Leidenschaft, erarbeite dir eine echte Expertise und denke daran, dass man gemeinsam viel mehr erreichen kann als allein
Steckbrief von Matijas Meyer
Schweizer Staatsangehöriger
Ausbildung:
ETH Zürich, Master als Elektroingenieur
Cranfield University (Vereinigtes Königreich), MBA-Abschluss
1998–2004: OC Oerlikon/ESEC (mehrere Positionen)
2005–2006: Tornos (Product Manager)
Seit 2007: Komax Gruppe
Seit 2010: Mitglied der Gruppenleitung
Seit 2015: CEO
Komax Gruppe: Kennzahlen
Umsatz (2024): CHF 630 Millionen
EBIT (2024): CHF 16 Millionen
Mitarbeitende (Ende 2024): 3496
Vertriebs- und Servicenetz in 60 Ländern
28 Engineering- und Produktionsstandorte