Tecindustry Themen Unternehmertum & Verantwortung «Nachhaltigkeit bildet den Kern unserer Existenz»
Ansprechpartner  Tecindustry Tecindustry
+41 44 384 41 11 +41 44 384 41 11 infonoSpam@tecindustry.ch
Teilen

«Nachhaltigkeit bildet den Kern unserer Existenz»

Elektrifizierung, Softwareintegration und höhere Energieeffizienz sind Trends, welche die Wirtschaft derzeit prägen. Tanja Vainio, Country President Switzerland von Schneider Electric, erläutert im Interview, wie diese Trends zusammenspielen und warum sie grosse Chancen für ihre Firma eröffnen. Für die Kunden ein vertrauenswürdiger Partner für Nachhaltigkeit und Effizienz zu sein, ist die Mission des Unternehmens. Das verleiht Schneider Electric ein attraktives Image, was wesentlich ist, um qualifizierte Mitarbeitende anzuziehen.

Interview: Philippe D. Monnier

Schneider Electric mit Sitz in Frankreich ist ein globaler Konzern, der es allen ermöglichen will, ihre Energie und ihre Ressourcen optimal auszuschöpfen. Der in über 100 Ländern tätige Konzern mit 150 000 Mitarbeitenden und mehr als einer Million Partnern hat 2024 einen Umsatz von 38 Milliarden Euro erzielt. In der Schweiz ist Schneider Electric mit zwei Unternehmen, fünf Standorten und 725 Mitarbeitenden präsent. Wir haben Tanja Vainio getroffen, die seit 2022 Country President von Schneider Electric in der Schweiz ist.

Was sind die grössten Herausforderungen und Chancen für Schneider Electric in der Schweiz?

Dank zweier bedeutender Trends sehe ich vor allem Chancen. Der erste Trend ist die Energiewende, die eine exponentielle Zunahme der Stromnachfrage mit sich bringt. Beispielsweise wegen der Entwicklung von Elektrofahrzeugen, Hauswärmepumpen oder der Anpassung von Industrieprozessen. Der zweite Trend ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, die häufig lokal – etwa in einem Haus – erzeugt und gespeichert werden, unabhängig davon, ob sie an das Stromnetz angeschlossen sind oder nicht.

Die Digitalisierung ermöglicht es schliesslich, diese beiden Trends zu konkretisieren und zu flexibilisieren. Sie bewirkt so erhebliche Effizienz- und Produktivitätssteigerungen. Durch die Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette ist es möglich, dank Messungen und Analysen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Wie schnell tragen sich diese Entwicklungen zu?

Sehr schnell. Zwischen 2018 und 2050 wird beispielsweise eine Verdreifachung der Stromnachfrage erwartet. Zudem nimmt – wie die rasante Verbreitung von ChatGPT – die Zahl der vernetzten Objekte in Häusern, Gebäuden und Fabriken exponentiell zu. So wird sich unseren Prognosen zufolge die Zahl der Sensoren und der Datenquellen in diesem Jahrzehnt wohl versechsfachen. 

Unsere Mission ist es, ein vertrauenswürdiger Partner für die Nachhaltigkeit und die Effizienz unserer Kunden zu sein.

Tanja Vainio, Country President von Schneider Electric

Wie gewinnen und binden Sie Talente, die auch bei anderen Arbeitgebern gefragt sind, um diese Chancen zu konkretisieren?

Sie sprechen gerade einen sehr wichtigen Punkt und eine unserer obersten Prioritäten an. Meiner Meinung nach muss unser Handeln auf zwei Stossrichtungen ausgerichtet sein, und zwar auf die Attraktivität (excitement) des Unternehmens und die Einbindung (engagement) der Mitarbeitenden.

Um qualifizierte Mitarbeitende anzuziehen, müssen wir attraktiv sein, und unser Unternehmenszweck ist dabei ein wesentlicher Faktor. Unsere Mission ist es, ein vertrauenswürdiger Partner für die Nachhaltigkeit und die Effizienz unserer Kunden zu sein (trusted partner for sustainability and efficiency). Konkret besteht unser Ziel darin, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft im Allgemeinen zu haben, die Energieressourcen unseres Planeten besser zu nutzen und nachhaltige Lösungen anzubieten. Bei Schneider Electric fassen wir das in unserem Slogan zusammen: «Life is On» – das Leben läuft.

Wie steht es mit der Einbindung der Mitarbeitenden?

Wir bieten Karriere- und Entwicklungschancen, vor allem über unseren offenen Talentmarkt (open talent market). Diese App ermöglicht es allen Mitarbeitenden weltweit, sich auf neue Projekte zu bewerben. Zudem fokussieren wir uns auf Weiterbildung, Talentmanagement sowie Diversität und Inklusion als Triebfedern für Innovation. Auf globaler Ebene ist die Gleichstellung der Geschlechter in unserem Verwaltungsrat und in unserer Geschäftsleitung eine Selbstverständlichkeit.

Wir verfügen ausserdem über eine grosszügige Familienurlaubsregelung (family leave policy), die beispielsweise auch einen Vaterschaftsurlaub umfasst. Schliesslich unterhalten wir enge Beziehungen zu den Eidgenössischen Technischen Hochschulen: Unsere Präsenz auf dem Campus ermöglicht uns einen privilegierten Zugang zu talentierten Studierenden. Erst vor kurzem haben wir eine Gruppe von ETH-Studierenden unterstützt, die an einem weltweiten Wettbewerb im Bereich Tunnelbau teilnahm. 

Auf globaler Ebene ist die Gleichstellung der Geschlechter in unserem Verwaltungsrat und in unserer Geschäftsleitung eine Selbstverständlichkeit.

Befürworten Sie Homeoffice?

Ja, schon vor der Pandemie waren wir diesbezüglich äusserst flexibel – und sind es bis heute. Selbstverständlich hängt diese Flexibilität stark von der Rolle der einzelnen Mitarbeitenden ab: Für Kolleginnen und Kollegen, die in unseren Fabriken tätig sind, ist es beispielsweise schwierig, im Homeoffice zu arbeiten.

Inwiefern sind Sie von den Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Ausland – insbesondere mit der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten – betroffen?

Als Schweizer Tochtergesellschaft eines globalen Konzerns konzentrieren wir uns ausschliesslich auf den Schweizer Markt und exportieren keine physischen Produkte aus der Schweiz. Allerdings stehen unsere Kunden auf lokalen und globalen Märkten im Wettbewerb, was sich indirekt auf unser Geschäft auswirkt. Zudem tangieren uns die Vorschriften für den Import von Ausrüstungen und Rohstoffen für Produktionszwecke in die Schweiz sowie der Arbeitsmarkt, da wir viele internationale Mitarbeitende beschäftigen.  

Ihr Produktportfolio ist äusserst umfangreich: Auf welcher strategischen Logik basiert es?

Schneider Electric hat vier Geschäftseinheiten: a) Dienstleistungen für «Prosumenten» (Energieverbraucher und -erzeuger); b) Software über unsere Tochtergesellschaften AVEVA, ETAP, RIB usw.; c) Energiemanagement und d) Industrieautomatisierung. So decken wir die gesamte Wertschöpfungskette ab, von den Produktionsflächen bis zur Unternehmensspitze (from the shop floor to the top floor), in Wohnungen, Gebäuden, Industrien, Infrastrukturen und Rechenzentren.

Vor zehn Jahren haben wir unsere Plattform EcoStruxure eingeführt. Dabei handelt es sich um eine digitale Architektur, die smarte Geräte miteinander verbindet, Daten sammelt und analysiert und es unseren Kunden ermöglicht, ihre Performance sowie ihre Energieeffizienz zu optimieren, um einen nachhaltigeren Betrieb zu erreichen.

Was sind die jüngsten Trends in Bezug auf Ihr Produktportfolio?

Wir beobachten eine zunehmende Digitalisierung bei Produkten, Peripheriegeräten (edge) sowie Software und Datenanalyse. Wir nutzen unsere Plattform EcoStruxure, um diese ganzheitliche Konnektivität auf allen Ebenen zu gewährleisten. Das Internet der Dinge (IoT) bildet das technologische Rückgrat, auf dem die Lösungen von Schneider Electric basieren und implementiert werden. Auch unsere Software ist hardwareunabhängig (hardware agnostic). Immer häufiger wird eine vorhandene Hardware um eine Softwareschicht erweitert, um sie einbinden zu können.

In welchen Bereichen ist Ihre Schweizer Tochtergesellschaft besonders stark?

Unsere besonderen Stärken liegen in den Bereichen Wohn- und Gewerbebau, vor allem in der Energieverteilung, bei Smart Homes, Industrieautomatisierung und Rechenzentren. Darüber hinaus agiert unsere Schweizer Tochtergesellschaft, die Feller AG, als europäisches Kompetenzzentrum für elektrische Geräte und Gebäudeautomation.

Ist das Markenimage für ein B2B-Unternehmen wichtig?

Definitiv. Wir sind stolz darauf, in der Schweiz über zwei starke Marken zu verfügen: Schneider Electric und Feller (by Schneider Electric). Wir werden weiterhin in diese Marken investieren, die unsere Attraktivität für Talente ebenfalls steigern. 

Nachhaltigkeit bildet den Kern unserer Existenz – sie ist keine Nebensache.

Schneider Electric wurde von Corporate Knights als weltweit nachhaltigstes Unternehmen des Jahres 2025 ausgezeichnet. Was ist der Grund dafür?

Wir sind stolz darauf, diese Auszeichnung zum zweiten Mal in fünf Jahren erhalten zu haben. Unsere Aufgabe besteht darin, unseren Kunden zu helfen, ihre Energieeffizienz zu verbessern und ihre Elektrifizierung voranzutreiben. Und diesbezüglich möchten wir mit gutem Beispiel vorangehen. Nachhaltigkeit bildet daher den Kern unserer Existenz – sie ist keine Nebensache. Vor zwanzig Jahren haben wir unsere erste «Nachhaltigkeits-Roadmap» eingeführt. Wir sind grundsätzlich davon überzeugt, dass es absolut möglich ist, den Energieverbrauch und die CO₂-Emissionen zu senken, gleichzeitig aber den Umsatz und die Rentabilität zu steigern.

Was halten Sie vom Bildungssystem in der Schweiz?

Das Bildungssystem ist ein Schlüsselfaktor, den es unbedingt zu erhalten gilt. Ich denke dabei an die Eidgenössischen Technischen Hochschulen, die für ihre Innovationskraft bekannt sind, aber auch an die Fachhochschulen und das System der Berufslehre. Schneider Electric bildet viele Lernende aus. Eine weitere Stärke des Schweizer Bildungssystems ist die Mehrsprachigkeit, d. h. mit den drei wichtigsten Landessprachen sowie Englisch.

Die Schweiz verfügt über keine Industriepolitik, die mit derjenigen von Ländern wie Frankreich oder Japan vergleichbar wäre. Ist das positiv oder negativ zu werten?

Betrachten wir die Situation doch als Ganzes. Im Allgemeinen sind wir mit dem wirtschaftlichen und unternehmerischen Umfeld in der Schweiz zufrieden. Allerdings sollte Europa, einschliesslich der Schweiz, mehr in Technologie und Innovation investieren, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu wahren. Diese Bestrebungen müssen von der öffentlichen Hand, dem Privatsektor und akademischen Kreisen gemeinsam getragen werden.

Schneider Electric gehört zu den 100 «strategischen Partnern» des Weltwirtschaftsforums (WEF). Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Wir sind der Meinung, dass die Aktivitäten des WEF, insbesondere die Jahrestreffen in Davos, entscheidend sind, um die wichtigsten Führungspersönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft zusammenzubringen. Dies ist von grundlegender Bedeutung, um die globalen Herausforderungen zu meistern, und Schneider Electric möchte dazu einen aktiven Beitrag leisten. 

Und zum Schluss fünf kurze Fragen: 

Woran denken Sie als Erstes, wenn Sie aufwachen? Ganz einfach, an den Beginn des neuen Tages.
Ihre grösste Freude als Führungskraft? Die Arbeit mit tollen Kolleginnen und Kollegen.
Ihre grösste Frustration als Führungskraft? Frustrationen bieten die Gelegenheit, zu wachsen.
Was tun Sie, um sich zu entspannen? Ich verbringe Zeit mit meiner Familie, am liebsten in der Natur und ohne vernetzte Geräte.
Was würden Sie jungen Talenten gerne mit auf den Weg geben? Pack es an! («Go for it!»)

Steckbrief von Tanja Vainio

Seit März 2022: Schneider Electric, Country President Switzerland 
Seit März 2021: Franke Group, Verwaltungsratsmitglied 
1998–2022: ABB, verschiedene Positionen, u. a. Managing Director, Business Line Automotive Tier 1, Robotics & Automation (Zürich, 2020–2022) 

Ausbildung

  • MIT Sloan School of Management, MBA, 2002–2004
  • Massachusetts Institute of Technology, M.S. in Supply Chain Management, 2002–2004
  • Technische Universität Tampere und RWTH Aachen University, Master in Maschinenbau, 1993–1998 

Über Schneider Electric Schweiz 

  • Eine Marke, zwei Unternehmen: Schneider Electric und Feller AG
  • 5 Standorte: Horgen, Gümligen, Baden, Crissier, The Circle (Flughafen Zürich)
  • 1 Produktionsstandort: Horgen
  • 725 Mitarbeitende (Schneider Electric und Feller), darunter 35 Lernende 

Letzte Aktualisierung: 16.06.2025