Tecindustry Themen Unternehmertum & Verantwortung «Der starke Franken ist unser grösstes Hindernis»

«Der starke Franken ist unser grösstes Hindernis»

Das 1969 gegründete Familienunternehmen Sylvac SA ist auf die Entwicklung, das Design und die Produktion von digitalen Messsystemen und -instrumenten für verschiedene Industriezweige spezialisiert. Obwohl Sylvac in seiner Branche sehr gut etabliert ist, muss sich das Unternehmen dennoch mehreren Herausforderungen stellen. Im Interview mit Swissmem spricht CEO Eric Schnyder über das Geschäftsmodell von Sylvac, die Bedeutung von Freihandelsabkommen und die Probleme, welche der starke Schweizer Franken mit sich bringt.

Interview: Philippe D. Monnier

Trotz Ihrer Fokussierung auf die Messtechnik ist Ihre Produktpalette nach wie vor sehr breit gefächert. Wie beherrschen Sie sie?

Im Interesse der Effizienz ist es in der Tat entscheidend, sich auf ein bestimmtes Produktsegment zu konzentrieren und eine Verzettelung zu vermeiden. Charakteristisch für unsere Produkte ist, dass sie ein gemeinsames Fundament, ein einheitliches Messsystem und digitale Funktionen aufweisen. Auf unserer Website bieten wir aber nicht nur unsere Produkte an, sondern auch die von zwei Partnerunternehmen, namentlich Trimos (Kt. Waadt) und Bowers (Grossbritannien). Dabei handelt es sich um komplementäre Produkte.

Sie vertreiben Ihre Produkte über nicht-exklusive Vertriebspartner. Planen Sie auch Direktverkäufe in bestimmte Märkte?

Wir könnten von der Schweiz aus direkt ins Ausland verkaufen. Aber es wäre schwierig, die kulturellen Unterschiede zu bewältigen. Selbst zwischen der Schweiz und Deutschland sind diese Unterschiede beträchtlich. Und von Asien will ich gar nicht erst reden. In einigen Ländern könnten wir Tochtergesellschaften gründen und lokale Vertriebsmitarbeiter einstellen. Das würde aber erhebliche Investitionen erfordern. Ausserdem ist es nicht einfach, ein Netzwerk von Tochtergesellschaften zu verwalten.  

Letztlich ist es besser, unsere Zusammenarbeit mit einem weltweiten Netz von Vertriebspartnern aufrechtzuerhalten. Dies sind hoch motivierte Unternehmer, die in unsere Produkte investieren, indem sie Vorräte anlegen und somit das Risiko tragen, sie nicht verkaufen zu können. Allerdings ist zu beachten, dass wir bei unseren Vertriebspartnern in Deutschland und Frankreich Minderheitsbeteiligungen erworben haben.

Sylvac SA hat zwei Standorte in Yverdon-les-Bains (Waadt) und Malleray (Berner Jura). Im Bild: Der Standort Yverdon.

Das Unternehmen ist auf die Entwicklung, das Design sowie die Produktion von digitalen Messsystemen und -instrumenten für verschiedene Industriezweige spezialisiert.

Charakteristisch für die Produkte von Sylvac ist, dass sie ein gemeinsames Fundament, ein einheitliches Messsystem und digitale Funktionen aufweisen.

Wie steht es mit Ihrem Wettbewerbsumfeld?

Die meisten unserer grossen Konkurrenten sind auch unsere «OEM-Kunden», da wir ihnen unsere Produkte als White-Label-Produkte verkaufen, aber aus vertraglichen Gründen ihre Namen nicht nennen dürfen. Diese Vereinbarungen ermöglichen es uns, eine kritische Masse zu erreichen und Kunden anzusprechen, zu denen wir über unser Vertriebsnetz keinen Zugang hätten.

Welche Stärken unterscheiden Sie von Ihren Konkurrenten?

Unsere Innovations- und Reaktionsfähigkeit als Familienunternehmen. Ausserdem neigen wir im Gegensatz zu unseren japanischen Konkurrenten dazu, hochinnovative Produkte schnell auf den Markt zu bringen, auch wenn wir sie später anpassen müssen.

Wie schützen Sie Ihre Innovationen?

Das Wichtigste ist, ständig innovativ zu sein, um der Konkurrenz immer einen Schritt vorauszubleiben. Darüber hinaus schützen wir unser Messsystem mit Patenten. Die darin offengelegten Details könnten es anderen Unternehmen erlauben, uns zu kopieren. Aber dazu müssten sie mehrere Millionen Franken investieren, über Fachkenntnisse verfügen und ein effizientes Vertriebsnetz haben. In einem Nischenmarkt wie dem unseren ist es wahrscheinlich nicht besonders rentabel, unsere Produkte auf Grundlage unserer Patente nachzubauen. Trotzdem wurden wir von einem chinesischen Unternehmen kopiert. Statt sie zu verklagen, beschlossen wir zu verhandeln. Als Ergebnis waren sie bereit, uns Lizenzgebühren für den amerikanischen und europäischen Markt zu zahlen.

Ist «Swiss Made» ein entscheidender Handelsvorteil?

Der Ruf der Schweiz und des «Swiss Made» hilft uns ebenso wie der gute Ruf der Marke Sylvac.

Einige Schlüsselmärkte wie Deutschland, die USA und China schwächeln. Inwieweit sind Sie davon betroffen?

Vor zehn Jahren haben wir 34% unseres Umsatzes in Deutschland erzielt. Mittlerweile ist dieser Anteil auf 22% gesunken, und es gibt keine Anzeichen für eine Erholung in unmittelbare Zukunft. Diese Situation wird dadurch verschärft, dass unsere deutschen Kunden nach der Covid-Pandemie viele Produkte gekauft haben und ihre Lagerbestände weiterhin hoch sind.

In Bezug auf die USA beobachten wir keinen Rückgang. Hingegen ist die Lage in China schwieriger, da die chinesischen Unternehmen – insbesondere die staatlichen Unternehmen – aus verordnetem Industriepatriotismus immer weniger ausländische Produkte kaufen. Das ist schade, denn China hat eine echte Industriekultur. Das elektronische Ökosystem in Shenzhen beeindruckt beispielsweise durch seine grosse Dynamik und seinen Ideenreichtum. 

Wir wurden von einem chinesischen Unternehmen kopiert. Statt sie zu verklagen, beschlossen wir zu verhandeln. Als Ergebnis waren sie bereit, uns Lizenzgebühren für den amerikanischen und europäischen Markt zu zahlen.

Eric Schnyder, CEO Sylvac

Welche Auswirkungen haben die weltweiten geopolitischen Spannungen auf Sylvac? 

Tatsächlich stellen diese Spannungen auch eine Chance dar, da unsere Produkte für die Herstellung von Waffensystemen verwendet werden können. Natürlich exportieren wir nur in Länder, in denen dies nach Schweizer Recht erlaubt ist. Langfristig befürchte ich jedoch eine wachsende Kluft zwischen dem Westen und Ländern wie China, Indien und Russland. Aus technologischer Sicht könnte das Fehlen einer weltweiten Standardisierung von Mikroprozessoren die Situation komplexer machen.

Wie beurteilen Sie den Nutzen der rund 30 Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz (oft im Rahmen der EFTA) und ausländischen Ländern?

Insgesamt erweisen sich diese Abkommen als äusserst vorteilhaft, da sie den internationalen Warenfluss vereinfachen und erhebliche Zollsenkungen ermöglichen. Ein gutes Beispiel ist das Abkommen mit China, bei dem die positiven Auswirkungen unbestreitbar sind. Und dies trotz einer schrittweisen Senkung der Zölle und Herausforderungen bei der Umsetzung. Ganz allgemein erleichtert die Existenz solcher Handelsverträge die Lösung möglicher Probleme, meist mit Unterstützung der Behörden beider Unterzeichnerstaaten.

Welche Wünsche haben Sie bezüglich der «Bilateralen III» mit der Europäischen Union?

Ich möchte Fortschritte bei der gegenseitigen Anerkennung von Zertifizierungen sehen, um die Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und die Hindernisse für den freien Handel zu minimieren. Es ist auch wichtig, gegenüber Brüssel die Bedeutung eines pragmatischen Ansatzes in Bezug auf die Verwaltungsformalitäten beim Flugverkehr zu betonen. Natürlich ist es von entscheidender Bedeutung, dass alle beteiligten Parteien von künftigen Abkommen gleichermassen profitieren.

Unsere Erwartungen an das Freihandelsabkommen mit Indien sind hoch.

Eric Schnyer, CEO Sylvac SA

Welche Erwartungen haben Sie an das jüngste Abkommen mit Indien?

Unsere Erwartungen sind hoch, denn obwohl unsere Geschäfte mit Indien derzeit begrenzt sind, möchten wir sie viel stärker ausbauen.  

Mit welchen anderen Ländern würden Sie sich wünschen, dass die Schweiz Freihandelsabkommen unterzeichnet?

Mit Brasilien, da die Zölle in diesem grossen Land hoch sind. Auch das bestehende Abkommen mit Mexiko sollte ausgebaut werden. 

Wie beurteilen Sie das Bildungssystem in der Schweiz?

Die duale Berufsbildung ist ein wichtiger Pfeiler des Erfolgs der Schweiz, denn sie ermöglicht es den Lernenden, ihre Ausbildung bis zum Doktorat fortzusetzen. Zudem haben die Inhaber eines Eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses die Möglichkeit, in alle hierarchischen Ebenen eines Unternehmens aufzusteigen.

Dennoch gibt es Verbesserungsmöglichkeiten im Bereich der beruflichen Weiterbildung. Lassen Sie uns dies am Beispiel von Ingenieuren veranschaulichen: Es ist entscheidend, nicht nur die technischen Fähigkeiten, sondern auch die zwischenmenschlichen sowie die Management-, Organisations- und Kommunikationsfähigkeiten zu stärken. Um beizutragen, den Mangel an Weiterbildungsangeboten zu beheben, bin ich übrigens Mitbegründer des Smaca-Trainingszentrums.

Was sind derzeit Ihre grössten Herausforderungen und Chancen?

Derzeit ist der starke Franken das grösste Hindernis. Dies beeinträchtigt unsere Exporte stark, die 85% unseres Umsatzes ausmachen. Er benachteiligt uns im Vergleich zu unseren ausländischen Konkurrenten.

Gibt es weitere Herausforderungen?

Während der Periode mit hoher Inflation konnten wir unsere Preise in der Europäischen Union anheben. Nun fordern unsere europäischen Kunden jedoch Preissenkungen, was aufgrund des hohen Werts des Franken nicht durchführbar ist.

Hat der starke Franken auch Vorteile?

Die Aufwertung des Franken hat zweifellos dazu beigetragen, dass die Inflation in der Schweiz unter Kontrolle gehalten werden konnte. Dies ermöglichte es uns, unsere Löhne regelmässig zu erhöhen. Dies jedoch in einem geringeren Ausmass als unsere Konkurrenten im Ausland. Darüber hinaus hat sich der starke Franken vorteilhaft auf die Kosten für unsere Importe von Rohstoffen und Industrieanlagen ausgewirkt. Dieser Vorteil war jedoch begrenzt, da wir bis vor kurzem lokale Einkäufe bevorzugt haben. Alles in allem überwiegen die Nachteile des starken Frankens seine Vorteile deutlich.

Wie bekämpfen Sie die Aufwertung des Frankens?

Wir arbeiten kontinuierlich daran, unsere Produktivität zu steigern. Sollte sich der Franken weiter aufwerten, müssten wir unkritische Komponenten, Rohstoffe und Werkzeugmaschinen vermehrt in der Eurozone oder in Asien kaufen.

Sollte sich der Franken weiter aufwerten, müssten wir unkritische Komponenten, Rohstoffe und Werkzeugmaschinen vermehrt in der Eurozone oder in Asien kaufen.

Eric Schnyder, CEO Sylvac SA

Sind Sie mit den Rahmenbedingungen in der Schweiz und im Kanton Waadt zufrieden?

Im Allgemeinen schätze ich die Stabilität der Schweiz sehr. Instrumente wie die Kurzarbeit sind besonders wertvoll, da sich die Konjunkturzyklen unweigerlich auf den Industriesektor auswirken. Obwohl andere Länder ähnliche Mechanismen anbieten, ist das Schweizer System besonders effektiv. Im Kanton Waadt erhalten wir viel Unterstützung, z.B. durch das Viva-Projekt und staatliche Finanzhilfen für die Bewertung unserer Nachhaltigkeitspraktiken.

Welche Verbesserungen wünschen Sie sich in Bezug auf diese Schweizer Rahmenbedingungen?

Es könnte sinnvoll sein, die Aufmerksamkeit stärker auf die KMU zu richten und nicht nur auf grosse multinationale Konzerne sowie Start-ups mit grossem Potenzial. Darüber hinaus fehlt meiner Meinung nach eine Stelle, welche Synergien zwischen KMU fördert, insbesondere um Forschungskosten gemeinsam zu tragen.

Als Familienunternehmen ist die Nachfolgeplanung von grösster Bedeutung. Wie bereiten Sie sich auf die nächste Generation vor?

Es ist wichtig, dass die zukünftige Generation sowohl motiviert als auch qualifiziert ist. Meiner Meinung nach ist es von grossem Vorteil, Berufserfahrung ausserhalb des Familienunternehmens zu sammeln. Ich glaube hingegen nicht, dass eine akademische Ausbildung ausschlaggebend ist.

Obwohl ich «erst» 52 Jahre alt bin, beschäftigt mich die Frage der Nachfolge und ziehe drei Möglichkeiten in Betracht:  Erstens könnten die Erben die Leitung des Unternehmens übernehmen. Zweitens könnte, falls die erste Option nicht möglich ist, ein Managementteam das Unternehmen leiten – unabhängig davon, ob dies den Einstieg neuer Investoren erfordert oder nicht. Drittens wäre auch ein Verkauf des Unternehmens denkbar. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bleiben alle Optionen auf dem Tisch.

Das Unternehmen

Das 1969 gegründete Familienunternehmen Sylvac SA hat zwei Standorte in Yverdon-les-Bains (Waadt) und Malleray (Berner Jura). Das Unternehmen ist auf die Entwicklung, das Design sowie die Produktion von digitalen Messsystemen und -instrumenten für verschiedene Industriezweige spezialisiert. Sylvac beschäftigt 159 Mitarbeiter und vereint mechanisches und elektronisches Fachwissen. Der Verkauf an Endkunden erfolgt über ein weltweites Netz von Vertriebspartnern.

Eric Schnyder (52) trat 2001 in die Firma Sylvac ein und ist seit 2007 CEO seines Familienunternehmens. Er verfügt über eine Ausbildung an der Ingenieurschule in Saint-Imier und der Kaderschule in Lausanne.

 

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Letzte Aktualisierung: 10.06.2024