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Klimaschutz: Auf demokratischem Weg – und mit neuen Technologien

Tecindustry Themen Klimaschutz: Die Herausforderungen demokratisch lösen – und neue Technologien anwenden

Wie Klimaschutz grundsätzlich geht, wissen wir. Und doch «bockt» die Gesellschaft manchmal, meint Daniel Cohn-Bendit. Am Science Festival Salon Public zeigte sich die 1968er-Ikone überzeugt davon, dass wir die klimapolitischen Herausforderungen demokratisch lösen müssen. Sind wir auf diesem Weg zu langsam unterwegs? Während die einen die Schaffung eines Zukunftsrats vorschlagen, erhofft sich Cohn-Bendit einen gesellschaftlichen «Bewusstseinsänderungsknall». Für die Tech-Industrie ist klar, dass Innovationen ein entscheidender Schlüssel für mehr Klimaschutz sein werden.

Wie muss die Politik vorgehen, damit nötige Veränderungen bewirkt werden können? Zwei Tage nachdem die Schweiz das 175-Jahr-Jubiläum der Schweizer Bundesverfassung begangen hatte, machte Daniel Cohn-Bendit einen Versuch, die aktuelle politische Mechanik zu analysieren. Gleich zu Beginn nahm er jedoch vorweg, dass er den Titel des Referats - «Die (neue) Ökogesellschaft» - nicht beantworten könne.

Der grosse grüne Wurf blieb also aus. Was dann folgte war zwar keine grosse Vision, aber dennoch eine unterhaltsame Reise durch die (vorwiegend deutsche) Politik und ihre Ränkespiele. Seine Feststellung: Obwohl sich die Bevölkerung der Dringlichkeit von Massnahmen durchaus bewusst ist, schert sie immer wieder aus. Sie lässt sich von der Politik nichts vorschreiben. Sein Unbehagen mit der Klimapolitik drückte Cohn-Bendit schliesslich mit der Frage aus: «Warum ist die Bevölkerung so unvernünftig?»

Anhand des deutschen Heizungsgesetzes zeigte das ehemalige Zugpferd der deutschen Grünen auf, wie sich linke wie rechte Politiker aus Angst vor Stimmenverlusten immer wieder selbst ausbremsen und nicht in der Lage sind, die Bevölkerung in einen konstruktiven umweltpolitischen Prozess miteinzubeziehen.

Auch in der Schweiz braucht es manchmal Extrarunden

Seine Reise hätte Cohn-Bendit ebenso gut durch die schweizerische Politlandschaft unternehmen können. So stiess auch hier zum Beispiel die Vorlage zum revidierten CO2-Gesetz auf erheblichen Widerstand und wurde im Sommer 2021 vom Schweizer Stimmvolk verworfen. Höhere Kosten und strengere Zielvorgaben für Fahrzeuge kamen bei den Stimmbürgerinnen- und Bürgern einst nicht gut an.

Dass der Weg zur Ökogesellschaft aber nicht grundsätzlich verbaut ist und Pragmatismus gefragt ist, zeigte sich dann zwei Jahre später. Die Schweiz nahm das Klima- und Innovationsgesetz mit rund 60 Prozent Ja-Stimmen an. Das Gesetz war als indirekter Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative vorgelegt worden. Es wirkt weniger mit Verboten, sondern fördert neue Technologien und bringt Unterstützung für den Ersatz von Öl- und Gasheizungen.

Im Rahmen des Salon Public plädierte Cohn-Bendit dafür, die Bevölkerung konsequent in die Politik miteinzubeziehen. Auch wenn sie manchmal «bockt», müssten dirigistische und autoritäre Wege, wie sie derzeit in vielen Teilen der Welt beschritten werden, gemieden werden. «Europa muss aufzeigen, dass Klimaschutz auf demokratischem Weg möglich ist. Wir haben eine Bringschuld», meinte Cohn-Bendit. Er zeigte sich, an den deutschen Philosophen Jürgen Habermas erinnernd, als Verfechter einer deliberativen, partizipatorischen Demokratie.

Vielfältige Ansätze

Dass der Weg zu einer neuen Ökogesellschaft keine Autobahn ist, sondern eher ein verzweigtes Wegnetz, zeigte die nachfolgende Podiumsdiskussion unter der Leitung von Roger de Weck, ehemaliger Generaldirektor der SRG SSR.

Dabei könnten im Geflecht an Möglichkeiten durchaus auch mal Stopp-Tafeln anzutreffen sein. So erkannte Daniel Büchel, Vizedirektor des Bundesamtes für Energie, auch in intelligenten Verboten einen konstruktiven Ansatz. Er verwies als Beispiel auf die Deklaration der Energieeffizienz bei Geräten und Fahrzeugen. Sie bewirkt, dass ineffiziente Technologie-Anwendungen allmählich aus dem Markt genommen werden.

«Die Wissenschaft muss gehört werden»

Generell war man sich in der Runde jedoch einig, dass das Instrumentarium vielfältig ist und primär Anreize geschaffen werden müssen. «Klimaschutz muss einfach gemacht werden», erklärte Katja Rost, Professorin für Soziologie an der Universität Zürich. Als Beispiel dienten Abfalleimer. Wenn der Weg bis zur nächsten Entsorgungsstelle kurz ist, so findet auch die PET-Flasche eher den Weg zurück in den Materialkreislauf. Zwar würden sich auch in Zukunft einzelnen Personen egoistisch verhalten und individuelle Freiheiten zum Nachteil der Gesellschaft ausnutzen, so Rost. Trittbrettfahrer müssten leider in Kauf genommen werden. Ein wichtiger Grundsatz sei aber: «Make it simple».

Nicht nur auf Schlagwort reduzieren, sondern auch auf wissenschaftliche Fakten basieren wollte die Debatte Reto Knutti, Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich. «Die Wissenschaft muss gehört werden», erklärte er. Die Akademie müsse zwar nicht Politik machen, aber doch auch einen Stuhl am Tisch der politischen Debatte besetzen.

Auf die Kraft der Innovation und des Unternehmertums verwies Sita Mazumder, Professorin für Wirtschaft und Informatik an der Hochschule Luzern und Mitglied der Eidgenössischen Elektrizitätskommission. Sie verwies darauf, dass vor allem auch über neuen Technologien und die Wirtschaft viel erreicht werden könne. Zudem müsse Umweltschutz auch «cool» werden. In Zukunft würde Luxus wohl auch anders definiert werden. Die Beziehungen zur Umwelt könnte in einer neuen Ökogesellschaft ganz andere Wertigkeiten erlangen.

Läuft die Umsetzung rasch genug, oder gibt’s eine grosse Bewusstseinsänderung?

Befragt nach der Situation, in der wir uns in fünf Jahren befinden werden, war sich das Podium weitgehend einig. Wir werden einiges erreicht haben, anstelle der erhofften drei Schritte aber vielleicht nur einen Schritt erreicht haben.

Einzig Cohn-Bendit gab sich impulsiv und meinte: Es wir einen «Bewusstseinsänderungsknall» geben. Er malte das Bild einer neuen Gesellschaft, die viel stärker auf Umweltthemen ausgerichtet sein wird. Da blitzte also plötzlich der alte 68er wieder auf, der vor über 50 Jahren als «Dany le Rouge» internationale Bekanntheit erreichte hatte. Als Wortführer der studentischen Jugend in Frankreich stand er damals an der Spitze einer grösseren gesellschaftlichen Veränderung.

Neue Debatten gefragt

Braucht es auf dem Weg zur neuen Ökogesellschaft also mehr öffentliche Demonstrationen und Debatten? Oder gar einen neuen grossen politischen Wurf, wie dies vor 175 Jahren mit der neuen Bundesverfassung gelungen war? Die 23 Personen, welche im Jahr 1848 unter dem Vorsitz von Ulrich Ochsenbein die Revisionskommission bildeten und die neue Verfassung der Schweiz erarbeiten, leisteten tatsächlich revolutionäre Arbeit. Das damalige Staatsrecht hätte vorgesehen, dass alle Kantone mit der Lösung einverstanden sind, also auch die Verlierer des Sonderbundskriegs. Diese Einigkeit wurde jedoch nie erreicht. Dennoch beschritt man letztlich einen gemeinsamen Weg auf einer neuen verfassungsrechtlichen Basis.

Die aktuellen drängenden klimapolitischen Herausforderungen führen auch heute bei vielen Personen zu einer Unzufriedenheit. Die Mühlen der direkten Demokratie mahlen für sie ganz einfach zu langsam. Während die einen auf Klimastreiks setzen, schlagen andere einen Klimarat vor.

Die Idee wurde zwei Wochen vor dem Salon Public im Landesmuseum in Zürich diskutiert. Das Konzept: 100 Personen ergänzen die politischen Kammern der Schweiz und diskutieren die Gesetze mit einem konsequenten Blick auf deren Zukunftsorientierung. Bei Bedarf können sie ein Veto einlegen oder neue Vorschläge einbringen. Die Mitglieder des Zukunftsrats würden dabei über ein Losverfahren, das die Struktur der Bevölkerung widerspiegelt, eingeladen werden. Die Verfechter der Idee, darunter Klimawissenschaftler und Staatsrechtler, beziehen sich auf erfolgreiche Experimente im Ausland, bei welchen Blockaden zwischen linken und rechten Politgruppierungen werden konnten. Doch würde dies auch in der Schweiz funktionieren?

Eine Stimme für die Tech-Industrie im Parlament

Mehr Klimaschutz kann in der Schweiz grundsätzlich auch mit den bestehenden Politstrukturen erreicht werden. Eine nächste Möglichkeit bieten die Parlamentswahlen vom 22. Oktober 2023. Für die Schweizer Tech-Industrie ist dabei klar, dass der Weg über Innovationen und neue Technologien führen wird. Um dafür die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, braucht es mehr Stimmen aus der Tech-Industrie im Schweizer Parlament. Die Vertreter des Teams Tech-Industrie stehen dafür ein, dass die Schweiz zukunftsorientiert unterwegs ist.

Weitere Informationen

Meinungsartikel NZZ Magazin 
«Eine dritte Kammer gegen die
Blockaden in der Schweizer Politik»

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Letzte Aktualisierung: 10.10.2023