Keine Spur verschlafen. Dabei sind die Lichter des Bürokomplexes vom Energiespezialisten Schneider Electric in Horgen am Zürisee noch alle aus. Eine Katze huscht erschrocken über die leere Strasse. Wir sind die einzigen Menschen, die hier um halb sechs schon Lärm machen. Dr. Barbara Frei (52) aber wirkt wie angeknipst, reibt sich die Hände warm, tribbelt auf der Stelle. «Los gehts!»
Dreimal pro Woche trainiert die Topmanagerin seit sie Mitte zwanzig ist. Ab und zu reicht die Zeit für einen Halbmarathon. Meist aber geniesst sie ohne Druck und Wettkampf im Nacken einfach die Natur. «Man sieht was, ist bei den Tieren», sagt sie. «Als ich in Düsseldorf lebte, da liebte ich das Joggen bei den Stadthasen im Park. Ich war wohl die einzige, die bei jedem Wetter nach draussen ging. Das ist auch jetzt noch mein Ausgleich vor dem Arbeitstag im Büro.»
Mit Sitz in Horgen führt Barbara Frei als Executive Vice President heute den globalen Geschäftsbereich «Industrial Automation». Der global operierende Tech-Konzern mit über 128'000 Mitarbeitenden ist führend in der digitalen Transformation von Energiemanagement und Automatisierung und hat sich zum Ziel gesetzt, Energie und Ressourcen für alle optimal nutzbar zu machen. Damit soll die Dekarbonisierung vorangetrieben, der Weg zu Nachhaltigkeit geebnet werden. Schneider Electric spricht dabei von: «Life Is On.» Konkret fördert das Unternehmen digitale Transformation durch neue Prozess- und Energietechnologien, die Vernetzung von Produkten mit einer Cloud, durch Steuerungskomponenten sowie mit Software und digitalen Services über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Das ermöglicht ein integriertes Management für private Wohnhäuser, Gewerbegebäude, Rechenzentren, Infrastruktur und Industrien.
Ihr eigenes Haus hat Frei, natürlich, komplett sarnieren und neu isolieren, die alte Elektroheizung aus den Siebzigern durch eine Wärmepumpe ersetzen lassen. Solarpanels auf dem Dach sollen folgen. Mit dem Elektroauto fährt die Managerin oft auf Geschäftsreise nach Deutschland. Jetzt wird aber erstmal zu Fuss losgelegt, an dem Nachbargebäude der Feller AG vorbei. In der Schweiz dürfte die Tochter von Schneider Electric den meisten Menschen bekannt sein. Schliesslich kommt jeder, der Steckdosen oder einen Lichtschalter benutzt, früher oder später mit dem Traditionsunternehmen in Kontakt. Die Hälfte aller Steckdosen hierzulande stammt aus dessen Hause. Barbara Frei erklärt kontrolliert, ruhig und bedacht, sogar beim Rennen. Aber, wenn man Glück hat, bricht es plötzlich aus ihr heraus, dieses herzhafte und laute Lachen. Ob eine Chefin von xy Mitarbeitenden morgens die erste am Pult sein müsse? «Das denke ich nicht! Das machte ja keinen Sinn.» So wie jetzt. «Ich selber bin aber ein Morgenmensch und setze meine ersten Calls um sieben Uhr an. Dafür kann ich nicht bis in die Nacht hineinarbeiten. Um acht ist für gewöhnlich Schluss.»
Geweckt wurde Freis Interesse an Energietechnik und nachhaltigen Lösungen überhaupt erst von einer strengen Frau: «Meine Mittelstufenlehrerin liess mich ein Arbeitsblatt zur Energiekrise damals satte dreimal ausfüllen – bis sie endlich zufrieden mit mir war.» Das schallende Lachen. «Irgendwann hatte sie mich für das Thema gewonnen und ich war Expertin.» So einfach war es aber nicht, der Bildungsweg lang: Als Teenagerin bringt sich Frei das Programmieren bei. Als junge Frau studiert sie an der ETH Zürich Maschinenbau. Von 200 Studierenden, sind damals gerade mal vier weiblich; nur eine Frau, nämlich Frei, promoviert. Während dieser Zeit bringt sie obendrein noch zwei Kinder zur Welt, die Tochter drei Tage vor Abgabe der Diplomarbeit. Spätestens da war wohl absehbar, dass aus Frei einmal eine der erfolgreichsten Frauen der Schweiz werden könnte.
Das Managen und Reisen, das Sport treiben und Renovieren – woher kommt die scheinbar unerschöpfliche Energie? «Ich habe ein grosses Reservoir an Kraft», sagt Frei. «Ich liebe meinen Job, bin ein positiver Mensch. Das hilft. Aber ich muss auch extrem effizient sein. Und damit verknüpfe ich Nachhaltigkeit. Wenn du etwas effizient tun kannst, dann ist es nachhaltig.» Daher organisiere sie Dinge so, dass sie ein Minimum an Zeit brauchten. Sie koche zwar gern, aber nicht stundenlang. Krimis liest sie im Flugzeug oder Zug, weil sie dort aus Sicherheitsgründen nicht arbeiten darf. Und dann: schüttelt sie Fotografen und Journalistin beim Rennen schliesslich freundlich ab, wenn diese nicht nachkommen und sie die Geschichte doch nun eigentlich im Kasten haben sollten.
Unsere Fragen, ihre Antworten
Die Angst geht um: vor dem Blackout, vor einer Energieknappheit, vor steigenden Preisen oder der Atomkraft. In der Gesellschaft kursieren Halbwissen und Fragen rund um Energiethemen. Barbara Frei beantwortet sie – in Wort und Bild.
Was taugen Gaskraftwerke?
Regenerative Energien allein decken den wachsenden Strombedarf noch nicht ab. Damit bleiben Gaskraftwerke vorerst ein Baustein im Energiemix. Im Übrigen machen sie nur rund ein Drittel der CO₂-Emissionen von Kohlekraftwerken aus. Es existiert allerdings auch ein Nachteil in puncto Klimaschutz. Auf dem langen Weg von den Gasfeldern zu den Kraftwerken, durch Leckagen in den Pipelines, geht Erdgas verloren. Dessen Hauptbestandteil ist Methan, welches ein weitaus gravierenderes Erdaufwärmungspotenzial aufweist als CO₂. Ein weiterer Nachteil liegt auf der Hand: Mit einem starken Fokus auf Gas bleiben einige Länder weiterhin abhängig vom Import.
Brauchen wir noch neue Kernkraftwerke?
Deutliche Worte dazu fand der EU-Innenkommissar Thierry Breton: Er hält es für eine Lüge, dass die EU ohne Atomkraft CO₂-neutral werden kann. Aus meiner Sicht ist Atomkraft zumindest eine Übergangslösung auf dem Weg zur Klimaneutralität. Zahlreiche EU-Länder setzen im Kampf gegen den Klimawandel nach wie vor auf Kernkraft, die seitens der EU-Taxonomie gerade erst als nachhaltige Technologie eingestuft wurde, und bauen sogar neue, meist kleiner dimensionierte Meiler auf. Als Vorstandsvorsitzender der Firma Terrapower macht sich auch Bill Gates für innovative Atomenergie stark. In Wyoming entsteht gerade der erste Natrium-Reaktor mit einer Dauerleistung von 345 Megawatt, der deutlich weniger strahlenden Abfall zurücklässt.
Klappt das mit der Energiestrategie 2050?
Ja, natürlich! Die Schweiz erfüllt bereits die im Energiegesetz für das Jahr 2020 verankerten Richtwerte für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien sowie die Richtwerte zur Strom- und Energieeffizienz. Das zeigt der aktuelle Monitoringbericht des Bundesamts für Energie (BFE). Mit dem Einsatz moderner, digitaler IoT-Technologie kann Energieeffizienz deutlich erhöht, der Anteil der erneuerbaren Energien gesteigert und die CO₂-Emissionen gesenkt werden. Das belegt der jüngst veröffentlichte Report von CNBC Catalyst und Schneider Electric anhand konkreter Beispiele renommierter Unternehmen. Von der Automatisierung über das Energiemanagement bis hin zum Bauen und Wohnen – die Potentiale digitaler Technologien spielen heute ihre Stärke in allen relevanten Bereichen aus. Ebenso gewinnt eMobilität deutlich an Fahrt. Der Anteil an e-PKWs an Neuzulassungen betrug 2020 schon über 8 Prozent – Tendenz steigend.
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